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Kino - dafür werden Filme gemacht

Die Monster AG

"Residenz" Bückeburg (23.01.2002 - Sneak Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

The Impire strikes back! Da hat es doch tatsächlich der aufmüpfige Renegat Jeffrey Katzenberg im vergangenen Jahr gewagt, der allmächtigen Zeichentrick-Magna-Mater Disney mit seinem frechen Oger-Epos "Shrek" keck vor's Schienenbein zu treten. Nachdem der Versuch einer reinen Zeichentrick-Revanche mit "Atlantis" bauchklatschend in den Fluten des Ozeans versank, kam nun Disney-Partner Pixar die ehrenvolle Aufgabe zu, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und dem Rebellen Paroli zu bieten. Und dieser Aufgabe entledigten sich die Schöpfer der beiden "Toy Story"-Filme mit einer Bravour, die staunen lässt und Vorfreude weckt auf eine Fortsetzung des Wettstreits der Trickfilm-Triumphe.

Dass urbane amerikanische Schauermärchen die schlimmsten Alpträume hinter der knarrenden Tür von Kinderzimmer-Wandschränken plazieren, wissen wir spätestens seit Stephen Kings grausiger Kurzgeschichte "Das Schreckgespenst". Auf recht bissige Weise nahm Bob Dahlin 1986 mit "Monster in the closet" ("Überfall im Wandschrank") das Motiv vom Unhold zwischen Jacketts und gebügelten Oberhemden als Parodie des 50er und 60er-Jahre-Science-Fiction-Monster-Trash aufs Korn. Dass die Ungeheuer jenseits des Kinderzimmerhorizonts auch einfach nur nett sein können, das bewies bereits Maurice Sendak mit seinem wunderschönen Bilderbuch "Wo die wilden Kerle hausen" (wobei Sendaks Ungetüme nicht aus dem Wandschrank kamen, vielmehr reiste der Held des Buches Max von seinem Kinderzimmer aus per Schiff zu ihnen).

Und genau dorthin, wo diese wilden Kerle hausen, entführt uns auch Pixars "Monster AG" in einem filmischen Gute-Laune-Feuerwerk von im wahrsten Sinne des Wortes monströsen Ausmaßen. Gegenüber Sendaks überwiegend naturbelassener, bewaldeter Traumwelt bieten uns die fabelhaft aufgelegten Pixar-Tricktechniker unter Leitung von "Toy Story"-Autor Peter Docter ein hochzivilisiertes, urbanes Paralleluniversum, in der die schuppigen, bepelzten, gehörnten, mehrköpfigen und vielbeinigen Bewohner zur Arbeit gehen, mit dem Auto fahren, sich gegenseitig in der Firma anmobben, aus Versehen durch Gullys flutschen oder zu einem Rendezvous verabreden. "Don't stalk" steht auf den Ampeln in Monstropolis, und abends kehrt man bei "Harryhausen" ein, eine Anspielung auf den großen Meister der Stop-Motion-Tricktechnik.

Jetzt erfahren wir auch endlich, wieso es die Einwohner dieser beschaulich monströsen Parallelwelt immer wieder durch als Schranktüren getarnte Dimensionstore in die Schlafzimmer von Kindern der Gattung Homo Sapiens treibt: Ertönt nämlich das Entsetzensgeschrei eines solchen bemitleidenswerten Zwei- bis Dreikäsehochs, füttert dies die Energieversorgung der Metropole, für die der allmächtige (und titelgebenden) Stromkonzern Monsters Inc. verantwortlich zeichnet. Monster, die mit großem "Buargh" aus dem Wandschrank stürmen, das ist beileibe kein böses Märchen für den unartigen (menschlichen) Nachwuchs, der nicht einschlafen will, sondern ein angesehener, gutbezahlter Job in Monstropolis' erster Adresse. Je mehr Entsetzensgeheul einer dieser professionellen Schrei-Gräber auf seiner Tour de chambre d'enfants auslöst, desto höher sein Status im Rang der "Schrecker", und der beste von ihnen ist das blaue Ungetüm James P. Sullivan, ein warmherziger Riese von der Knuddeligkeit Balous des Bären und so furchteinflößend wie Samson aus der Sesamstraße.

Ausgerechnet ihm, dem Champion aller Kindererschrecker, unterläuft der folgenschwere Fehler, ein Menschenkind in die Monsterwelt einzuschleppen und damit eine Wesensart, die in Monstropolis als ungefähr so angenehm eingeschätzt wird wie eine Wolke Beulenpesterreger. Um nicht sofort von den SWAT-Kommandos der Child Detection Agency dekontaminiert und in Quarantäne gesteckt zu werden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das permanent brabbelnde und vor den Eingeborenen der Monsterwelt so gar keinen Respekt zeigende Mädchen Boo mit nach Hause zu nehmen. Und damit ist eine ganze Kaskade verrückt-chaotischer Ereignisse vorprogrammiert.

Monster sind auch nur Menschen (und dementsprechend schrullig), das ist das zentrale Motiv von Pixars Wuschel-Scheusalen. Da speist man als Monster von Welt in einem japanischen Restaurant, in dem eine Riesenkrake die Sushis zubereitet, eine Schnecke wischt den Boden, um direkt dahinter eine gewaltige Schleimspur zu hinterlassen, die tyrannische Firmen-Schabracke motzt und schimpft wie ein Kesselflicker und Sullivan-Gehilfe Mike, eine glubschäugige Zyklopen-Erbse, setzt sich vor jedem Arbeitseinsatz zunächst einmal eine riesige Kontaktlinse ein. Natürlich entwickelt Knuddel-Untier Sulley against all odds eine tiefe Zuneigung zu dem Menschenkind und setzt darauf mit dem treuen Sidekick Mike alles daran, den kleinen Fremdling sicher nach Hause zu bringen. Doch dem stehen die Absichten einiger finsterer Mitarbeiter von Monsters Inc. entgegen, und nun ist Action angesagt! Denn Boos Weg zurück in den Menschenwelt ist gepflastert mit Monstern, Tieren, Sensationen, von Verfolgungsjagden durch gigantische Firmenhallen und unterirdische Korridore über Begegnungen der seltsamsten Art im Schnee des Himalaja bis zum wirklich atemberaubend rasanten Showdown, der in Cliffhanger-Manier permanent zwischen den Abgründen der beiden Welten pendelt.

Pixars "Monster AG" ist kein vielschichtiges, satirisches Adult-Vergnügen wie der Konkurrenz-Held "Shrek", sondern wesentlich harmloser gestrickter, aber dafür keinesfalls weniger witziger Filmspaß. Da wird nicht mit explodierten Vögeln, aufgeblasenen Fröschen und gefolterten Weihnachtskeksen einem ehemaligen Arbeitgeber in den honiggesüßten Griesbrei gespuckt. Monster-Widerling Randall, im Original gesprochen von Steve Buscemi, der sich bei Bedarf unsichtbar machen kann und das "Alien"-Kind Boo für obskure wissenschaftliche Zwecke missbrauchen will (Akte X lässt grüßen), spielt ein bisschen auf Paul Verhoevens "Hollow Man" an, ansonsten sind die parodistischen Seitenhiebe eher auf das Real-Life gemünzt als auf andere Filmwerke. Zum Schreien komisch sind wie immer die mit Cameos und Persiflagen gepflasterten Outtakes, die seit "Toy Story" zum Abspann eines jeden Pixar-Films gehören.

Pixars Kuschelhorden sind trotz allen Humors waschechte Kinder des Mäusekonzerns, denen glücklicherweise die große moralinsaure Pädagogikkeule früherer Disneywerke genauso abhanden gekommen ist wie der tranige Zeichentrick-Bombastkitsch. Dass der nicht mehr zieht, dürfte das Disney-Management spätestens seit "Ein Königreich für ein Lama" gelernt haben. Selbst ein herzensgutes Hüne wie Sulley darf da mal einen knochentrockenen Oneliner vom Stapel lassen: Als er von einem Kinderzimmereinsatz mit einer besonders hohen Schrei-Ausbeute zurückkehrt, bemerkt er süffisant: "Kindergeburtstag".

"Die Monster AG" ist ebenso liebenswertes wie phantastisches Trickspektakel voller turbulenter Action, vergnüglicher Slapstick-Einlagen und launiger Dialoge, eine kongruente Fortsetzung des klassischen Puppentheaters mit Mitteln der modernen CGI-Technik. Die setzt dabei wieder einmal Maßstäbe und legt die Messlatte für das kommende Filmprojekt "Route 66" der Konkurrenz Dreamworks wiederum eine glatte Etage höher an.

Monster, die kann man einfach nur knuddeln - diese Botschaft ist nun wahrlich nicht neu, aber doch jedes Mal genauso warmherzig wie befreiend. Entführt sie uns doch auf märchenhafte Weise zurück in von den Wirrnissen des Erwachsenendaseins unbelastete Kindertage, in denen Monster noch Krümel und Grobi hießen und ständig "Kekse" brüllten.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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