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Kino - dafür werden Filme gemacht

Exit Wounds

"Residenz" Bückeburg (02.05.2001)

Kritik von Johannes Pietsch

Andrej Bartkowiak bleibt seinem Metier treu: Wie schon in seinem Regiedebut "Romeo Must Die" fährt der ehemalige Sidney-Lumet-Kameramann in "Exit Wounds" vor dem Hintergrund zusammenprallender Kulturen und Film-Genres ein spektakuläres Action-Geschütz auf. Nach dem Clash of Cultures zwischen chinesischen Triaden und schwarzen, amerikanischen Gangstas in "Romeo Must Die" wartet der wiederum ebenso abgedroschene wie minimalistische Plot von "Exit Wounds" mit korrupten, weißen Polizisten und schwarzen Druglords aus dem Detroiter Gangland auf. Und wieder setzt Bartkowiak auf den Kontrast aus afro-amerikanischem Gangsterkino und fernöstlichen Kung-Fu-Künsten.

Stand jedoch in "Romeo Must Die" mit Jet Li noch ein chinesischer Superstar für die Martial-Arts-Komponente zur Verfügung, so obliegt dieser Part diesmal einem deutlich gealterten Steven Seagal. Wie es den inzwischen 50jährigen und reichlich pausbäckig gewordenen Nullmimen wieder auf die große Leinwand verschlagen konnte, ist wohl nur mit dem Sozialimpetus von Dampframmen-Produzent Joel Silver zu erklären. Schließlich schien die Karriere des Zopfträgers, dem 1992 mit "Alarmstufe Rot" unter der Regie von Andrew Davis immerhin ein sehr veritabler Kassenerfolg gelang, inzwischen genauso abgewickelt und ad acta gelegt wie die der übrigen prügelnden Fleischklopse der späten 80er, Jean-Claude Van Damme und Sylvester Stallone. Nachdem er Joel Silvers Pflichtauflagen zum Abspecken und zum Scheren des Indianerschopfes nachkam, durfte er noch einmal in seine seit "Nico" festzementierte Dauerrolle des wortkargen, lakonischen Law-and-Order-Vollstreckers schlüpfen.

Es hat einfach einen Hauch Sentimentalität, dem gealterten Kampfkoloß noch einmal beim Befriedigen der niedrigsten Triebbedürfnisse heranwachsender Möchtegern-Machos zuzuschauen. Selbstherrlich, überheblich und erzreaktionär stapft der Handkanten-Dinosaurier unerschütterlich und unverwundbar durch Explosionen und Schießereien, kugelt mit stoischer Mine Ellenbogen- und Schultergelenke aus und mäht die gegnerischen Sparringspartner gleich im Dutzend billiger nieder. Erst ballern, dann fragen - Steven Seagal praktiziert das gute alte Grundprinzip eines jeden noch so billigen 80er-Jahre-Actionfilms, nämlich unverhältnismäßige Gewalt als Lösung für jedes erdenkliche Problem, in Reinstform.

Natürlich darf Old Glitzerhemd selbst aus den wüstesten Gemetzeln ohne Kratzer und mit tadellos gekämmten Kurzhaarschnitt mittels schwungvoller Judorolle hervorkullern. Das ist nun einmal der Drei-Wetter-Seagal: Morgens um zehn jede Menge Terroristen umgenietet und den Vizepräsident der USA ins Wasser geworfen - die Frisur sitzt perfekt. Mittags Schießerei und Autoverfolgungsjagd durch die Detroiter Innenstadt - die Frisur sitzt perfekt. Um Mitternacht Kloppe mit einer riesigen Übermacht von Drogengangstern und kriminellen Kollegen - Herr Seagal sieht immer noch aus wie aus dem Osterei von Joel Silver gepellt.

Glücklicherweise beschränkt der Film Seagals Rolle auf die eines stets einsatzbereiten Kampfkomparsen und fokussiert seinen dünnen Handlungsfaden auf die schillernde Figur des Unterweltkönigs Latrell Walker, gespielt von Rap-Star DMX. Der bringt genauso wie die übrigen schwarzen Darsteller Isaia Washington, Anthony Anderson, Michael Jai White und Drag-On - die halbe Darstellerriege scheint dabei direkt aus "Romeo Must Die" importiert zu sein - genügend Street-Credibility mit, um beim jugendlichen Crossover-Publikum anzukommen. Die rasant choreographierten Kampfsequenzen des Films wurden mit der zeitgemäßen Optik MTV-tauglicher Videoclip-Ästhetik inszeniert und mit ethno-konformem Hiphop-Soundtrack unterlegt. Die akrobatische Eleganz eines Jet Li gibt es da natürlich nicht zu sehen: Blitzschnelle und harte Cuts kennzeichnen das Kampfgetümmel im Action-Kino des 21. Jahrhunderts. Immerhin verzichtet Andrej Bartkowiak auf tricktechnischen Unfug wie bei den surrealen Matrix-Effekten von "Romeo Must Die". Sein neuer Film ist somit ein Stück weit auch Rückschritt auf konventionelles Action-Terrain.

Bei aller Unterhaltsamkeit leistet sich "Exit Wounds" an einer Stelle eine glatte Dreistigkeit: Da läßt Bartkowiak doch tatsächlich einen seiner Oberschurken jenen legendären Satz über den größten Trick des Teufels (nämlich der Welt zu suggerieren, es gebe ihn gar nicht) aus Brian Singers genialem Meisterwerk "Die üblichen Verdächtigen" zum Zweitbesten geben. Die Formulierung Anmaßung wäre für dieses Sakrileg noch eine nackte Unterreibung.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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