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Kino - dafür werden Filme gemacht

Die letzte Festung

Gesehen am 14.11.2001 im Residenz Kinocenter (Sneak Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Wie der Gerichts- oder der Mafiafilm ist der Gefängnisfilm ein Topos mit sehr festgefügten Regeln. Fast immer schickt die Handlung einen Außenseiter in das stets von eigener Gesellschafts- und Hackordnung beherrschte Schattenreich hinter Gittern, um dort zunächst Mitläufer und Gegenspieler zu sortieren und anschließend eine finale Auseinandersetzung - entweder gegen die Anstaltsleitung oder gegen übelwollende Mithäftlinge - bestehen zu lassen. Das Kaleidoskop der qualitativen Abstufungen reicht da von großartigen Filmwerken wie Frank Darabonts "Die Verurteilten" über Action-Klassiker wie Don Siegels "Escape from Alcatraz" mit Clint Eastwood oder Silvester Stallones annehmbaren Knast-Thriller "Lock up" bis zu Machwerken à la Jean-Claude Van Dammes "Death Warrant". Auch das deutsche Kino lieferte mit "14 Tage lebenslänglich" einen ansehnlichen Genrebeitrag.

Rod Lurie platziert sein Knastdrama "Die letzte Festung" in jenem schwülstig-nationaleuphorischem Ambiente voller salbungsvoll patriotischer Formeln und wehenden Sternenbannern, wie es seit der Wahl George W. Bushs zum US-Präsidenten wieder up-to-date ist und welches durch die Terroranschläge vom 11. September noch mehr Auftrieb erhalten hat. Den exzellenten schauspielerischen Leistungen, sowohl der gestandenen Stars als auch der Jungdarsteller, der faszinierenden Fotografie des Films und dem hohe inszenatorischen Aufwand steht dabei eine erschreckend schwache Charakterisierung der Personen, speziell der Hauptfigur, und ein zwar sehr geschickt manipulierendes, aber recht vorhersehbares Drehbuch gegenüber.

Rod Luries Hauptfigur, General Eugene Irwin, Kriegsveteran mit mehr Narben als Abzeichen an der dekorierten Heldenbrust und auf einmal Häftling in einem Spezialgefängnis für Elitesoldaten, ist eine Lichtgestalt von fast übermenschlicher moralischer Größe, als Heldenfigur so rein, aufrichtig und edel wie ein Apatschenhäuptling mit Silberbüchse und von so hehrer Tragik umflort, dass kaum mehr ein wirklich menschlicher Charakterzug zu erkennen ist. Dass die Figur dennoch sympathisch wirkt, ist der Tatsache zu verdanken, dass sich Hauptdarsteller Robert Redford inzwischen seiner Falten nicht mehr schämt, sondern sie sehr wirkungsvoll zur Illustration der gequälten Kreatur einzusetzen weiß. Umso unverständlicher ist es für den Zuschauer, warum ein solcher Kriegsheld für zehn Jahre verknackt wird, und auch nachdem das Drehbuch nach über einer Stunde Film das Vergehen des dekorierten Ex-Militärs offenbart hat, wird diese Einkerkerung logisch nicht so recht nachvollziehbar.

Als sein Gegenspieler im konventionellen Einer-gegen-den-Knastdirektor-Plot installiert das Drehbuch den packend aufspielenden James Gandolfini als schwer schizoid gestörtes Charakterschwein mit Hang zu Militaria und einem Faible für puren Sadismus. Dieser Cornel Winter ist ein Underdog, ein Emporkömmling, wie einst Cicero im alten Rom ein "homo novus", der sich seine Sporen nicht auf dem Feld der Ehre erwarb, sondern sich allein durch die Fahrradfahrer-Vorgehensweise - nach unten treten, nach oben buckeln - auf der Karriereleiter nach oben wendehalste. Damit sind die Fronten von Anfang an auch moralisch geklärt: Dieser Colonel Winter, so definiert es der Plot, hat als Nicht-Veteran gar nicht das Recht, über verdiente Kriegshelden zu befinden, selbst wenn die sich zwischendurch eines zivilen Verbrechens schuldig gemacht haben. Er möchte so gerne selbst ein großer Feldherr und Kriegsheld sein und kann doch nur neidvoll auf die echten Veteranen in seinem Gefängnishof und die Devotionalien in seinen sauber geputzten Schaukästen blicken, während aus den Lautsprechern seiner Stereoanlage ein Musikstück von - ausgerechnet - Antonio Salieri erklingt, jenem Komponisten, der Zeit seines Lebens das unerreichbare Genie Wolfgang Amadeus Mozart vergötterte und zugleich bis aufs Blut hasste (und schließlich sogar umbrachte).

Doch nachdem die schweigend und abgestumpft in ihrem Schicksal verharrende Masse von Häftlingen in Eugene Irvin Volksheld und überirdisch verklärte Führungsfigur erkannt haben, beginnen sie sich zu wehren.

Auf einmal wird aus vielen rivalisierenden Grüppchen und Einzelgängern, die durch gezielte Intrigen und Sadismen des Gefängnisdirektors stets auf Distzanz gehalten wurden, eine schlagkräftige Einsatzarmee, die im Handstreich das Kommando über die Festung an sich reißt. Die Schlacht, die zwischen Insassen und Bewachern der Kerkers entbrennt, inszeniert Rod Lurie als fesselnden und blendend fotografierten Actionhöhepunkt des Films, der trotz kleinerer logischer Unglaubwürdigkeiten den Zuschauer in seinen Bann zieht.

Erst zum Schluss tragen Lurie und sein Drehbuchautor wieder die ganz dicke Schicht Patriotismus auf, wenn der Überheld Eugene Irwin endgültig zum Heilsbringer stilisiert wird, der zur Vergebung der Sünden den steinigen Weg nach Golgatha anzutreten hat. In dieser sehr undifferenzierten Heroisierung des Soldatentums und seiner Angehörigen ist "Die letzte Festung" ein typisches Kind seiner Zeit im Amerika des George W. Bush, in der Freund und Feind nach beendeter Schlacht wie hypnotisiert zum wehenden Sternenbanner emporschauen und sich der im Leben eines echten Soldaten wahrhaft wichtigen Werte erinnern: Ehre, Disziplin und Respekt.

"Die letzte Festung" stellt die gleiche Frage nach dem Umgang Amerikas mit seinen Kriegshelden wie "Eine Frage der Ehre", nur beantwortet Rod Luries Film sie anders als Rob Reiners Gerichtsdrama von 1992, dem Jahr des Amtsantritts von Bill Clinton, sondern geht prinzipiell zurück auf die Position von Ted Kotcheffs "Rambo - First Blood" von 1982. Bei Rob Reiner galt 1992 das Primat der zivilen Rechtsprechung über alle Verdienste um Volk und Vaterland, bei Rod Lurie neun Jahre später nicht mehr.

Damit hat auch Hollywood endgültig die politische Zeitenwende vollzogen. Beim amerikanischen Publikum dürfte dies ungeteilten Beifall finden. In Deutschland, dem Land der Political Correctness, stellt sich dagegen ein leichter moralinsaurer Nachgeschmack ein.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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