Nun ist es ausgerechnet an TV-Radikalkritiker Oliver Kalkofe, Bullys Winnetou-Hommage mit "Der Wixxer" die Edgar-Wallace-Persiflage folgen zu lassen. Wer nun jedoch glaubt, der an Medienpräsenz in den letzten Jahren ein wenig aufs Abstellgleis geratene Erfinder von "Kalkofes Mattscheibe" habe einfach auf dem Erfolg des Bully-Films gerade noch rechtzeitig mitreitend seine Karriere ein wenig aufpolieren wollen, greift zu kurz: Die Idee für den "Wixxer" stammt aus dem Jahr 1996, ist somit wesentlich älter als das Bully-Werk, und viele inhaltliche Elemente des Films, Anspielungen und Parodien sowie seine Entstehungsgeschichte werden nur dann wirklich verständlich, wenn man den Bogen noch sehr viel weiter zurück in die Vergangenheit schlägt.
Oliver Kalkofe stieß 1991 zum Comedy-Team von Radio FFN und kreierte unter anderem so legendäre Figuren wie den Ferkelwämser Gürgen Ferkulat, den massenmordenden "Herrn Radiooven", den speckigen Märchenerzähler "Onkel Hotte", den Fremdenführer "Alfons Derra" sowie den autobiographisch eingefärbten Praktikanten Hans-Jürgen auf dem Raumschiff "FFNterprise". Zum größten Erfolg avancierte jedoch seine Frühstyxradio-Kolumne "Kalkofes Mattscheibe": Mit bitterbösester Häme überzog Kalkofe den alltäglichen Fernseh-Schwachsinn mit Spott, brandmarkte Patrick Lindner als "Nightmare on Alm-Street", Wolfgang Lippert als "Grabbel-Zoni mit Kassengestell" und Karl Moik als "finale TV-Apokalypse". Von 1994 bis 1998 sendete Kalkofe seine "Mattscheibe" dann auch als Fernsehfassung auf Premiere, die ihm unter anderem 1996 den Grimme-Preis einbrachte. Im Herbst 1996 erfand das Frühstyxradio-Autorenduo Oliver Kalkofe und Oliver Welke den "Wixxer" als "Kriminalhörspiel aus mehreren tausend Teilen". Mit einer Persiflage auf die Edgar-Wallce-Filme hatten die alltäglich auf FFN gesendeten, nur wenige Minuten langen Folgen außer dem Intro "Hallo, hier spricht Edgar Wallace sein Bruder" und der charismatischen Filmmusik von Peter Thomas nicht viel gemein, sondern dienten nur als rudimentäres Gerüst, um die beiden Hauptfiguren Inspector Very Long (Welke) und Chief Inspector Even Longer (Kalkofe) auf der Jagd nach dem dämonischen Superverbrecher "Der Wixxer" von einem absurden Schlamassel ins Nächste stolpern zu lassen. Die Hörspielteile trugen so klangvolle Namen wie "Der Frosch ohne Maske", "Der Puff an der Themse", "Der blöde Bogenschütze" oder "Die toten Hosen von London" und mündeten schließlich in einer denkwürdigen dreistündigen Sondersendung in der Nacht zum 1. Advent 1996, in der unter intensiver Beteiligung der Zuhörer die Identität des Schurken gelüftet wurde.
Als alte Bekannte aus seligen FFN-Tagen trifft man in der Kinoversion wieder auf die beiden vertrottelten Scotland-Yard-Ermittler Inspector Very Long und Chief Inspector Even Longer sowie ihren Chef Sir John. Doch bereits hier beginnt das erste, ganz große Problem des Films: Während Ex-Long-Sprecher Oliver Welke seinen Part dem ausgewiesenen Komödianten Bastian Pastewka überließ und sich mit seiner Rolle als Autor sowie einem kleinen Gastauftritt als Sanitäts-Arzt Dr. Brinkmän begnügte, schlüpfte TV-Terminator Oliver Kalkofe auch für den Film in den schmuddeligen Trenchcoat des abgewrackten Chief Inspectors. Oliver Kalkofe ist jedoch kein Komödiant, er ist noch nicht einmal ein Schauspieler. Seinen Witz bezog der Vollblut-Radiomoderator stets aus seinem versierten Umgang mit Sprache und dem gekonnten Einsatz seiner Stimme, die er ebenso als DDR-WG-Bewohner wie als Sodomie-freudiger Versicherungsvertreter Herr Kaiser daherkommen lassen konnte. Schon das TV-Format seiner "Mattscheibe" war wesentlich weniger witzig als die Radiofassung, noch weniger die völlig unverständlicherweise mit dem Deutschen Comedy-Preis ausgezeichnete Bühnenversion. Und als Filmdarsteller hat Oliver Kalkofe in "Der Wixxer" nicht eine einzige komische Szene. Das wird vor allem im Kontrast zum sehr routinierten, wenn auch hin und wieder auf Sparflamme spielenden Bastian Pastewka deutlich, ebenso zum wunderbaren Wolfgang Völz, selbst Veteran aus den alten Wallace-Filmen und hier als Sir John zu sehen.
Bei ihren Ermittlungen stoßen die beiden Scotland-Yard-Beamten Long und Longer auf den mondänen Earl of Cockwood (Thomas Fritsche), dessen entzückende Nichte Jennifer Pennymarket, den schmierigen Kleingangster Harry Smeerlap und die sinistre alte Mrs. Drycunt. Ein düsteres Schloss, ein Schlossherr mit finsterer Vergangenheit, eine junge, adrette Millionenerbin und eine Vielzahl zwielichtiger Gestalten - das waren schon die Ingredienzien, die die Streifen der Marken Reinl, Vohrer und Vohrer kennzeichneten. Kalkofe und Welke plündern für ihre Hommage das gesamte Archivar der Wallace-Filmologie, was dem Film einige wirklich hübsche Settings und Kulissen-Einfälle beschert.
Der Humor des Kino-"Wixxers" mäandert jedoch ein wenig ziellos durch die reichlich seichten Sphären heutiger Fernseh-Comedy, verkörpert vor allem durch die üblichen Verdächtigen Anke Engelke, Olli Dittrich und vor allem Regisseur Tobi Baumann, der bei SAT1 für das Engelke-Vehikel "Ladykracher" verantwortlich zeichnete. Aus dem Team von "Ladykracher" stammt auch Christoph Maria Herbst, der hier als Butler Alfons Hatler mit schwarzem Nasenbärtchen, Seitenscheitel und zackigem Hackenschlag wirklich grandiose Führer-Performance abliefert. Herbst ist als schnarrender Büttel des Earls eine pure Augenweide, in jeder Szene zum Brüllen komisch und so göttlich geschmacklos, dass er häufig die wirklich bitterlich schwachen Auftritte Oliver Kalkofes vergessen lässt. Und ausgerechnet Herbst erweist dem Geist des alten Frühstyxradio mit ein paar wirklich herrlich makaberen Onelinern die Ehre: "Die brauchen wir noch", erklärt er dem just in eine Falltür auf Schloss Blackwhite Castle gestürzten Kalkofe: "Für die Zeugen Jehovas." Man hätte sich wesentlich mehr Sarkasmus von diesem Kaliber gewünscht. Genauso trefflich besetzt, leider nur viel zu selten im Bild, ist Lars Rudolph als absolut perfekte Klaus-Kinski-Wiedergeburt. "Der Wixxer" wendet sich ähnlich wie Bullys "Schuh des Manitu" an Menschen, die das genügsame TV-Zeitalter noch mit drei Programmen erlebt haben und die mit den skurrilen, teilweise unfreiwillig komischen und inhaltlich oft mehr als absurden Schwarz-Weiß-Krimis sozialisiert wurden. Das Ergebnis ist ein meist entspanntes, oft ins Absurde driftendes Geblödel, das sich glücklicherweise fast nie zum üblich gewordenen Latrinen-Humor hinreißen, aber leider auch höchstens jeden dritten Gag wirklich zünden lässt. Einige Parodien neuerer Filme wie "Matrix", "Das Schweigen der Lämmer" oder "Mission Impossible 2" wirken reichlich verkrampft, und eine lieblos eingeworfene Musical-Nummer ganz im Stil vom "Schuh des Manitu" offenbart nur die Einfallslosigkeit der Filmemacher. Durchweg gelungen sind die Gastauftritte von Günther Jauch und Grit Böttcher sowie (unfreiwillig!) von Hessens Ministerpräsident Roland Koch als "Schlumpf mit dem Herpes" und (vor allem für Sesamstraßen-Fans) von Original-Kermit-Sprecher Andreas von der Meden als "Frosch mit der Maske".
Der Schluss, bei dem Oliver Kalkofe ganz im Stil der alten Wallace-Filme die Identität des Wixxers zu enthüllen versucht und dabei eine falsche Theorie nach der anderen aufs Tableau bringt, ist eindeutig eine Referenz auf das nächtliche Radio-Finale 1996 bei FFN, in dem ebenfalls die abstrusesten Vermutungen zu Gehör kamen. Und nein, der Wixxer ist im Film nicht wie damals der von Dietmar Wischmeyer gesprochene Erzähler des Hörspielmehrteilers. Vielleicht hätte es aber gerade dessen abgründigen Humors bedurft, um aus dem Kalkofe-Film eine wirklich gute Parodie zu machen. |
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.