"Van Helsing", das neueste Produkt aus den Blockbuster-Laboratorien Hollywoods, ist in jeglicher Hinsicht ein Gruselfilm geworden. Gruselig, weil dieses Paradebeispiel postmoderner Plünderung und Vergewaltigung klassischer Literatur- und Filmstoffe so ziemlich alles falsch macht, was ein Film nur falsch machen kann und einen wirklich traurigen Höhepunkt in der Reihe all jener Streifen darstellt, die einen Mangel an erzählerischem Inhalt mit immer mehr Donnergetöse an Action, Ausstattungsbombast und Special Effects zu kompensieren versuchen.
Die anno 2001 in den Kinos gestartete Mumien-Fortsetzung warf jedoch diese guten Eigenschaften zugunsten einer alles niederwalzenden Tricktechnik und einer wirklich lausig schlechten Story über Bord. "Blade"-Erfinder Stephen Norrington setzte sich 2003 mit der "Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" in die gleiche Spur und seinen Film genauso komplett in den Sand.
Das literarische Alter Ego von Sommers' Filmfigur, Dr. Abraham Van Helsing, unvergesslich verkörpert vor allem durch Peter Cushing in den klassischen Hammer-Filmen, später dann durch Anthony Hopkins bei Francis Ford Coppola und zuletzt von Christopher Plummer bei Wes Craven, bildete bekanntermaßen in Bram Stokers Romanvorlage und beinahe allen daraus resultierenden "Dracula"-Verfilmungen das bürgerlich-erzkonservative Bollwerk des viktorianischen Großbritanniens gegen die osteuropäische Bedrohung durch den verführerischen, frauenverderbenden Transsylvanien-Fürsten. Aus reichlich berechtigten Lizenzgründen muss dieser Van Helsing, der keinen Doktortitel, dafür aber einen Schlapphut, führt und auch sonst mit Stokers Romanfigur nicht das Allergeringste gemeinsam hat, den Vornamen Gabriel tragen, weiß wie sein postmoderner Gesinnungsgenosse Blade nichts über seine Herkunft, aber dafür bestens mit allerlei Waffen Bescheid, die er stets unter einer wallenden Lederkluft mit sich führt, um den Monstren aller Erdteile heimzuleuchten. Als Agent des Vatikans mit der Lizenz zum Coolsein entsorgt er Hexenmeister und Unholde im Dutzend billiger und stellt dabei nicht viele Fragen, allenfalls diese beiden: "Was ist es und wie kann ich es töten?" In den Katakomben von St. Peter darf er sich nach gelungener Mission gegen den offensichtlich aus Stephen Norringtons "Liga" entfleuchten Mr. Hyde von einem klerikalen "Q" mit allerlei Waffen ausstatten lassen, bevor es auf die finale Mission gegen die Wurzel allen Übels, den Vampirfürsten Dracula zu Felde geht.
Da nicht einmal der rudimentäre Ansatz einer auch nur halbwegs zusammenhängenden Handlung (von Logik mal ganz zu schweigen) zu erkennen ist, schwingt Stephen Sommers in noch gnadenloserer Effektehascherei als im Mumien-Sequel den CGI-Hammer, um mit der Vorhersehbarkeit einer ZDF-"Traumschiff"-Episode, der Zuverlässigkeit eines Metronoms und dem Spannungsgehalt einer Partie Sackhüpfen auf einem durchschnittlichen Kindergeburtstag Explosionen, Monster und Mutanten abzuliefern. Da vollführen in schönster "Pearl Harbor"-Tradition irgendwelche geflügelten Vampirwesen Tieffliegerangriffe auf Mensch, Material und Kühe, zappeln Untote, Halbtote und Werwölfe an gigantischen Elektroden in enervierendem Dauer-Stroboskop-Blitzgewitter, wieseln missgestaltete, offenkundig in Ermangelung intelligenterer Einfälle bei Don Coscarellis "Phantasm" ausgeliehene Zwerge um riesenhaft-futuristische und ständig irgendwie explodierende Laboreinrichtungen (warum, weiß eigentlich auch keiner), schwingen sich irgendwelche Personen ständig an zufällig gerade auftauchenden Drähten, Stahlseilen oder Brückengeländern durch die Lüfte, und in gewaltigen, unterirdischen Kavernen reift in schleimigen Kokons eine aus Star-Wars-Ewoks, Jurassic-Park-Raptoren und geflügelten Blade-2-Reapern geklonte Alien-Brut heran, deren Herkunft und Schicksal derart sinnbefreit ist, dass der Zuschauer die hilflosen Erklärungsversuche des Drehbuches ebenso schnell wie gründlich verdrängt. Dass Stephen Sommers nebenbei auch noch klaut, was das Zeug hält, stört zum Beispiel bei der Lichtbombe aus "Blade 2" kaum noch. Dass er sich aber noch nicht einmal zu schade ist, den Maskenball aus Polanskis "Tanz der Vampire" inklusive der Spiegelszene zu verhunzen, das tut wirklich weh.
Sicher, der Anspruch dieser aus diversen cineastischen Monster-Mythen zusammengeklaubten Horror-Humoreske rangiert ohnehin nur auf dem Niveau einer handelsüblichen RTL-Vorabendserien-Folge. Aber wenigstens ein bisschen zum Lachen oder ein ganz klein wenig unterhaltsam hätte dieser minderbemittelte Clash of Monsters für ganz Arme doch wohl ausfallen können. Stattdessen tötet Stephen Sommers auch den wirklich letzten Rest von Popcorn-Atmosphäre mit einer alles lähmenden Lawine schrecklich künstlich aussehender Digitaltechnik. Alles geht unter in einer atemlosen Aneinanderreihung computergenerierter Tricksequenzen, in denen die Figuren zu reinen Stichwortgebern restlos sinnentleerter Dialogfetzen degradiert werden.
Im Final Showdown wird "Van Helsing" unbeabsichtigt zu einem echten Lehrstück über die Vernichtung der Träume durch das multimediale Bombastkino: Alles zappelt, wabert, explodiert, zersplittert, zerplatzt oder zerfließt in Glibber und endet damit genau dort, wo jeder Versuch enden muss, das Außergewöhnliche der menschlichen Fantasie technisch reproduzieren zu wollen - eine Schreckensvision, die "Van Helsing" ohne es zu wollen als treffsichere Analyse des eigenen Genres enthüllt. 3 von 10 Punkten |
Besucher Nr. seit 07.05.2004
Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.