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Kino - dafür werden Filme gemacht

Swimming Pool

Gesehen am 27.09.2001 im Residenz Kinocenter Bückeburg (Sneak Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Die riesige Welle amerikanischer Horrorfilme aus den 80er Jahren, die 1978 von John Carpenters "Halloween" ausgelöst wurde, kopierte stets aufs Neue das von Carpenter etablierte Prinzip des modernen Slashermovies: Statt eines halbwegs menschlichen Täters präsentierten uns diese Filme als Bösewicht zumeist eine völlig profillose, stumme, absolut bösartige und gnadenlose Bestie, bar jeglicher menschlicher Anwandlungen (wie zum Beispiel Häme, Boshaftigkeit oder eigene Furcht), die mit maschineller Präzision und Routine ihren Opfern zu Leibe rückte. Dabei gehörte es zum Standard, diesen Mörder als Strafe für jugendliche Verfehlungen wie regelwidrigen Sex, Alkohol oder einfach nur überschwängliches Partyfeiern aufzutreten zu lassen.

Wes Cravens "Scream" ironisierte und verzerrte 1996 nach langer Horrorflaute diese Regeln und machte sie sogar im Film selbst zum Diskussionsgegenstand. Zudem etablierte "Scream" mit der cleveren und ungewöhnlichen Auflösung der Frage nach dem Täter einen neuen Killer-Typus, der - obwohl es ähnliches schon in vielen Horrorfilmen zuvor gegeben hatte - von nun an von einer ganzen Legion von "Scream"-Nachahmern kopiert wurde, die damit den nur vom Namen her neuen, aber inhaltlich sehr altmodischen Typus des "Teenie-Horros" definierten. Was diesen Epigonen, angefangen vom unseligen "Letzten Sommer" bis zu "Deep in the woods" jedoch konsequent fehlte, war die ironische Note, mit der sich der "Scream"-Film prinzipiell zur kommentieren Parodie des 80er-Jahre-Horros machte.

Nach den letzten, äußerst schwachen amerikanischen "Scream"-Ausläufern und den zaghaften europäischen Teenie-Horror-Versuchen kommt nun der deutsche Werbefilmer Boris von Sychowski mit einem erneuten Aufguss des fast immer gleichen Ich-hab-ein-großes-Messer-und-komm-gleich-um-die-Ecke-Buuhhuuu-Themas. Und landet dabei mit der deutsch-tschechischen Koproduktion "Swimming Pool" eine dermaßen komische (aber wohl unfreiwillige) Nonsensparade, dass das Zuschauen und Mitlachen richtig Spaß macht.

Da leistet es sich Herr von Sychowski doch tatsächlich, die komplette Anfangssequenz aus "Scream" zu klauen, nur mit Gemüse statt Popcorn (trotz seines Adelstitels stand ihm wohl nicht genügend Budget für ein entsprechendes Drehbuchkapitel zur Verfügung). Ein Horror-Rätsel am Telefon gibt's auch nicht (würd' ja auch Zeit kosten, in denen kein Blut fließen kann), stattdessen stochert der weißmaskierte Killer mit seiner langen Machete (die er sich ganz offensichtlich entweder bei Jason aus "Freitag der 13." oder bei Karl Berger aus "Violent Shit" geliehen hat) sofort nach der adretten Jungmaid, die sich wohl vergeblich auf das unzüchtige Abendessen mit ihrem inzwischen sauber zerlegten Lover vorbereitet hat.

Danach gibt's einige pittoreske Ansichten von Prag und das lärmende Freudengeschrei einiger gar nicht pittoresker Internats-Absolventen, deren Darsteller durch die Bank mehr als doppelt so alt sind wie die von ihnen gespielten Halbwüchsigen und dem Begriff Dilettantismus derartige Negativ-Dimensionen verleihen, als habe man die Laienspielschar der fünften Klasse der Dieter-Bohlen-Gedächtnis-Gesamtschule eine neudeutsche Version von "Scream" inszenieren lassen. Dazu kommt noch ein Schuss politisch korrekter Sozialrührseligkeit ("Chris, ich bin arm und du bis reich." - "Aber Kim ... ." - "Es ist aus, Chris.") und sogar Humor: "Ich will Bier" schreit das Cabrio-fahrende Vollweib und entblößt in weniger scham- denn eher geschmacksverletzender Weise ihren Vorbau. "Mehr Bier, mehr Bier!" keuchen die von der niederländischen Brauerei Heineken bestens ausgestatteten und ebenso gesponserten brünstigen Jungmänner. Hoho. Der Rest ist bekannt: Zehn kleine Teenies feiern ihre Abifete in einem nächtlichen Spaßbad vor den Toren Prags, und zwischen Schnaps, Annäherungsversuchen und selten sinnentleertem Dialoggeblubber metzelt hier und da Onkel Machetenmann an den Chlor-duftenden Gliedmaßen der High-Society-Kids herum. Als man feststellt, dass a) die Außentür zu b) Bademeister Radek gerade nicht in der Nähe und c) Wasserrutschen ganz schön ungesund ist, bricht gepflegte Panik aus.

Das gab es so oder anders schon tausend mal, vom Supermarkt in Scott Spiegels "Intruder" bis zur einsamen Insel im "vorletzten Sommer". Dass in dem Ganzen logische Löcher von der Größe eines mittleren Subkontinents klaffen, ist Programm. Das Geschehen kommentieren die Protagonisten mit den unvermeidlichen Textbausteinen des Genres: "Wir müssen hier raus" sagt der circa 35jährige Teenager mit geistesabwesendem Gesichtsausdruck auf, und die nur unwesentlich gesichtsältere blonde Teenagerin stellt nach allerhöchstens zehn Minuten vergeblichen Anrennens gegen die Tür nasal nuschelnd fest: "Die Tür ist zu." Was vor allem eins beweist, dass nämlich keiner dieser Teenies jemals "Scream" geguckt haben kann, er wüsste ja sonst, welche Dinge er in solchen Situation nicht machen darf. Glück dagegen für die Zuschauer, die mit jeder Leiche einen nervigen Teenager weniger zu ertragen haben. Der verfilzte und unrasierte Prager Kommissar, der ständig irgend so etwas wie "ceterum censeo Kids esse delendam" vor sich hinbrabbelt, passt zu dem übrigen Kasperle-Ensemble wie die Machete in den Unterleib einer paarungswilligen Blondine.

Mit "Swimming Pool" ist die "Scream"-Welle nicht nur zu ihren Ursprüngen in den 80er Jahren zurückgekehrt, sondern noch meilenweit unter das damalige Niveau abgetaucht. Man muss sich fragen, welcher Restalkoholspiegel Werbefilmer von Sychowski und die Produktionsfirma Senator dazu getrieben hat, diese Lachnummer zusammenzuschaufeln. Als letzter Versuch, auf den gerade im Nirvana verschwindenden Scream-Zug aufzuspringen, ist "Swimming Pool" ein dreihundertprozentiger Bauchklatscher in denselbigen. Als unfreiwillige Parodie zieht der Streifen da schon wesentlich mehr (was wahrscheinlich kaum in der Intention von Regisseur und Drehbuchautor gelegen haben dürfte). Vor allem dürfte er aber als Anschauungsobjekt für junge Filmemacher dienen, um sich die gängigen Genreregeln des Teenie-Horrors vor Augen zu führen, die hier selten seelenlos, sinn- und logikfrei, aber eben sehr plakativ in Szene gesetzt wurden. Abschrecken wird es sie auf keinen Fall: Denn erst wenn die letzte Blondine dahingemetzelt und ausgeweidet ist, werden sie merken, dass man Teenie-Innereien wirklich nicht essen kann.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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