Als der Polizist und ehemalige Bomberpilot Gene Roddenberry im Oktober 1964 mit den Vorbereitungen zu "The Cage" - dem Pilotfilm zur TV-Serie "Star-Trek" - begann, konnte er wohl kaum ahnen, welche Religionsstiftung er damit anstoßen würde. 1966 startete das Raumschiff Enterprise zu seinem medialen Jungfernflug, zur abendlichen Prime time, aber als No-name-Produkt in Konkurenz zu mehreren erfolgreichen Sitcoms auf anderen Kanälen. Wegen des anfangs geringen Zuschauerinteresses wurde die Serie 1969 eingestellt. Der Star-Trek-Kult entwickelte sich erst, nachdem lokale Kabelkanäle die preiswert erworbenen Staffeln ins Programm hievten. Heute wird der Sternen-Kult weltweit von einer vielfachen Tausendschaft von Verehrern zelebriert, von Fans, die Spock-Darsteller Leonard Nimoy einmal als "Follower" bezeichnete, die einem "Star Trek"-Regisseur für den Filmtod ihres vulkanischen Idols schon einmal das eigene Ableben androhten und regelmäßig gewaltige Fantreffen - "Conventions" - organisieren, auf denen sie sich gegenseitig in ihrem Glauben an die Signifikanz des Science-Fiction-Opus bestätigen können.
Regisseur Stuart Baird macht aus der Abschiedsstimmung von Anfang an keinen Hehl: Im Prolog geben sich Commander Riker und Schiffs-Beraterin Deanna Troi, die sich über mehrere Staffeln begehren, aber erst im neunten Film "Insurrection" kriegen durften, das Ja-Wort, Riker bereitet sich überdies auf die Übernahme eines eigenen Schiffskommandos vor. Auf dem Weg zu Deannas Heimatplaneten, auf dem die gesamte Crew nach den dortigen kulturellen Usancen die Trauung mitvollziehen soll (ohne Kleidung, welch ein unerträglicher Gedanke für Commander Worf!), wird die Enterprise unverhofft von einer als kurzes Cameo auftretenden Kate Mulgrew alias Admiral Kathryn Janeway zum Hauptstadtplaneten der Romulaner beordert. Der dortige Regierungschef Shinzon, erst kurz zuvor durch einen Putsch an die Macht gekommen, bietet der Föderation einen Friedensvertrag an. Doch kaum auf die Zentralwelt des sternenföderalen Erzfeindes herabgebeamt sieht sich die Besatzung der Enterprise mit einer unangenehmen Überraschung konfrontiert: Shinzon ist mitnichten Romulaner, sondern ein zunächst vom romulanischen Geheimdienst zur Infiltrierung der Föderation gezüchteter, anschließend dann aber auf den Zwillingsplaneten Remus abgeschobener und dort aufgewachsener Klon Picards, und dessen Pläne mit dem Schiff seines genetischen Vaters und seiner Besatzung sehen alles andere als freundlich aus.
Es stört wenig, dass "Nemesis" kaum versucht, etwas bahnbrechend Neues zu kreieren, dazu ist die Grundausrichtung des Prinzips Stark Trek ohnehin viel zu wertkonservativ. Der Plot setzte auf Bewährtes. Keine Überraschungen, keine Unabwägbarkeiten, keine Experimente. Die Losung, die schon Ray Davies von den Kinks ausgegeben hat, gilt auch hier: "Give the people what they want", womit das zehnte Star-Trek-Oevre einen deutlichen Schritt zurück hinter die Grenzen macht, die der furiose, außerordentlich düstere "First Contact" vor sechs Jahren zog.
Gerade das war und ist es aber, was der landläufige Trekkie so sehr an seiner Lieblingsserie schätzt: Mal von Subraum-Anomalien umschwirrt, mal im Ereignishorizont gefangen, hat es den diversen Mannschaften der verschiedenen Raumschiffe Enterprise in den vergangenen 36 Jahren nie an Anlässen gemangelt, all jene Probleme zu wälzen, die seit ihrem Anbeginn die Menschheit beschäftigen und bis in alle Zeiten Teenagern selbst am entferntesten Ende der Galaxis schlaflose Nächte bereiten dürften: die Fragen nach dem Woher und dem Wohin, nach Moral, nach der Freiheit der Entscheidung, dem Abwägen zwischen Anpassung, Selbstbestimmung und Erfolg, nach Werten wie Freundschaft und Vertrauen, Ehre und Loyalität, nach Emotionen wie Liebe und Hass. Speziell die "Next Generation"-Episoden gerieten mit ihren geistvollen Reflexionen Captain Picards zu Grundfragen der Ethik oftmals zu 45minütigen Philosophie-Unterrichtseinheiten.
Romulaner-Prätor Shinzon, der sich ein halbes Leben lang obsessiv auf die für ihn alles entscheidende Auseinandersetzung mit der Sternenförderation und im Besonderen deren Exponenten Jean-Luc Picard vorbereitet und trainiert hat, wirkt bisweilen wie eine jugendliche Ausgabe des rachsüchtigen Ricardo Montalban aus "Wrath of Khan". Auch die gewaltige Raumschlacht zwischen der Enterprise und Shinzons Warbird erinnert an den zweiten "Star Trek"-Film, das tricktechnisch fulminant inszenierte Finale dagegen an den Crash der Enterprise aus "Generations". Und dass sich schlussendlich ein Mitglied der Enterprise-Crew für das Überleben der Übrigen opfert, dient nicht nur als definitiver und unwiderruflicher Schlussstrich unter die Kino-Ära der Next Generation, sondern rekapituliert natürlich auch Spocks Tod aus "Wrath of Khan".
Darstellerisch wird das Geschehen wie schon in den beiden Filmen zuvor von der markanten Zwei-Mann-Show aus dem wie immer superben Patrick Stewart und dem ebenso souveränen Brent Spiner getragen, wobei der gerade einmal 25jährige Tom Hardy als dämonischer, von Rache zerfressener Weltraum-Napoleon, dessen Wut über seine zerstörte Jugend im genetischen Vater Picard ihren Fokus gefunden hat, sich schauspielerisch mit eigenen Akzenten durchaus zu behaupten weiß, nur leider im letzten Drittel des Films mit grimmiger Miene auf der Kommandobrücke seines Schiffes zu harren hat und so vom Drehbuch kaum Gelegenheit bekommt, sich gegenüber den beiden übermächtigen Akteuren Stewart und Spiner auch nur annäherungsweise nach vorne zu spielen. Tricktechnisch zeigt sich " Nemesis" zwar auf der Höhe der Zeit, prunkt aber nicht mit opulenten Schauwerten wie die Konkurrenz von George Lucas - den Wettstreit um die eindrucksvollsten Designs hätte das Star-Trek-Multiversum gegen die Jedi-Ritter ohnehin verloren.
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.