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Sommer vor'm Balkon

Filmkritik von O. Materne

Ein Frauenfilm? Mag sein, aber auch die Herren der Schöpfung können einiges mitnehmen. Ein bisschen erinnert das Epos an eine Art "Große Mädchen weinen nicht" für Erwachsene - allerdings ist der neue Film noch besser. Nach der etwas missglückten "Halben Treppe" hat Dresen wieder ein Meisterwerk des Alltags geschaffen, das beinahe qualitativ an "Nachtgestalten" heranreicht.

Nike und Katrin sind Busenfreundinnen, die gerne ihren ‚Sommer vorm Balkon' verbringen. Katrin ist arbeitslos und muss sich mit Bewerbungen, Seminaren und ihrem schwer pubertierenden Sohnemann Alex herumärgern. Derweil agiert Nike als Altenpflegerin aus Überzeugung und verliebt sich in den Trucker Ronald, der um ein Haar ihre Freundin Katrin überfahren hätte. Als Ronald bei Nike einzieht, setzt es Spannungen und Eifersüchteleien im Alltag zwischen Nike und Katrin. Letztere greift immer öfter zur Flasche...

Das Besondere des Films (nichts für Action-Maniacs) besteht aus genauen Beobachtungen des Alltags und in dem, was zwischen den Zeilen liegt: Steht Katrin etwa auch auf Ronald? Oder ist sie traurig, dass er ihr die Zeit mit ihrer Freundin stiehlt? Lässt Ronald sich wirklich nur von vorn bis hinten bedienen? Oder kann er auch bereit sein zu geben? Welche Funktion hat die Barkeeperin Tina? Hat Nike Mitleid mit ihren Patienten - oder die mit ihr?

Ohne zuviel vom Film verraten zu wollen, ist es von besonderem psychologischen Interesse, dass Nike eigentlich nur so lange auf ihren Trucker steht, so lange er sich "wie ein Arsch" benimmt, wie sie sich ausdrücken würde. Als er versucht, lieb zu werden, wird er eigentlich uninteressant für sie.

Die Regie verzichtet darauf, permanent Höhepunkt an Höhepunkt zu setzen, sondern notiert kleine Zusammenhänge und Episoden im Leben der beiden Heldinnen. Beide mögen nicht die Klügsten oder die Reichsten sein, aber gerade das macht sie zu etwas Besonderem - beim Versuch, ihr Leben zu meistern, wie auch bei Misserfolgen. Katrin lernt in ihrem Seminar, dass es wichtig ist, beim Vorstellungsgespräch Blickkontakt zu halten - und setzt dieses Mittel prompt übertrieben stark ein. Nike wird von ihrer Vorgesetzten gerügt, weil sie ihre Patienten pflegen soll und nicht zuviel Zeit mit Unterhaltung oder Vorlesen zu verplempern hat.

Putzig und rührend wirken die alten Leute, mit denen sich Nike sehr gern abgibt, weil sie sich aus welchen Gründen auch immer mit ihnen identifiziert. Ob sie nun gerne Akkordeon spielen oder vom Krieg erzählen, einen Liebesroman vorgelesen haben möchten oder ständig ihre Kaffeetasse suchen - auch die Alten haben ihren Wert in einer Gesellschaft des Jugendwahns. Dresen amüsiert sich über die eine oder andere Schrulligkeit (der Zuschauer tut es ihm gleich) bei allen Figuren des Films, aber macht sich nicht darüber lustig, sondern beobachtet nur.

Eine geniale Neben-Episode: Die erste Liebe von Katrins Sohn Alex zu der hochnäsigen Charly, die ihm beim Joggen einfach davon läuft. Von Anfang an wird hier deutlich, dass Alex nie eine Chance bei ihr haben wird, so nett er auch sein mag. Feinheiten in der Bildersprache (Charly in ihrer letzten Einstellung mit triumphierend erhobener Zigarette) lassen den Zuschauer erkennen, was nicht ausgesprochen werden muss.

Kamera und Musik fallen nicht sonderlich ins Gewicht, sondern drängen sich im Gegenteil zu Recht nicht nach vorne, um keine Ablenkungen von der Geschichte zuzulassen. Zwar hätte das Finale etwas dramatischer daher kommen können, und manchmal möchte man dem Film wegen seiner notorischen Langsamkeit einen kleinen Schubs geben, aber seine Prämisse überstrahlt die wenigen Schwächen mit einem einzigen Wort: Menschlichkeit - in jeder Hinsicht. In jeder Beziehung.

8 von 10

www.olaf-materne.de.vu

Diese Kritik ist die Meinung von O. Materne.

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