Ach ja, die guten alten 80er. Was hatten es männliche Filmdarsteller
damals noch einfach: Da gab es Genres, in denen mussten jene Recken
schlicht und einfach nur ausreichend Bizeps und Brust vorzeigen,
durchgehend stupid grimmig dreinblicken und ab und an vergleichsweise
formschön Schwerter, Hellebarden oder sonstige primitive
Tötungsinstrumente durch die Luft wirbeln, um als Hauptdarsteller
gecastet zu werden. Und wenn dann auf der Kinoleinwand respektive dem
Fernsehschirm bei der mit ausreichend Sixpacks Aldibier ausgestatteten
heimischen Videopartie diese spärlich bekleideten Muskelhelden
reihenweise ebenso minderbemittelt aussehende wie agierende Statisten
verdroschen und tranchierten, dann freute sich der langmähnige, in
türkisfarbene Ballonseide gekleidete und Adidas-Turnschuhe tragende
Vorstadt-Bunke ein ganzes Rudel Wölfe.
Barbarenfilme nannte sich diese Welle, wurde ausgelöst durch den
ziemlich unerträglichen John-Milius-Streifen "Conan der Barbar" - der
seinen Hauptdarsteller, einen gewissen Arnold Schwarzenegger, 1982
schlagartig zu Weltruhm verhalf - und ließ so begnadete Kunstwerke
folgen wie "Er - stärker als Feuer und Eisen", "Thor der unbesiegbare
Barbar" oder "Red Sonja" - Filme, die die konsequente Fortsetzung des
klassischen, an sich schon nicht allzu intelligenten Sandalenfilms aus
den 60ern bewerkstelligten, nur auf noch viel primitiverem Niveau.
Nun mag man sich ernsthaft fragen, was einen Regisseur respektive
Produzenten veranlasst haben könnte, diese Heroen längst versunkener
Kino- und Video-Epochen mit fettem Hollywood-Budget wieder aus der
Versenkung zu hieven. Zum einen natürlich die Tatsache, dass seit
einigen Jahren dank grassierender Ideenlosigkeit von Drehbuchautoren so
ziemlich alles für's Big-Budget-Kino exhumiert, reanimiert und
verhackstückt wird, was irgend wann einmal erfolgreich war. Zum anderen
liegt die Antwort simplerweise im Kinoerfolg von Stephen Sommers beiden
Mumienfilmen, die ja selbst nichts anderes taten, als aus Uraltelementen
des Horror- und des Abenteuerfilms einen knallbunten Popkornteig zu
kneten und aufgehen zu lassen. "The mummy returns" führte vergangenes
Jahr in einer Nebenrolle Wrestling-Star Dwayne Johnson alias The Rock
als monströsen Skorpionkönig ein. Obwohl der Auftritt kaum mehr als ein
Cameo war und Johnson die meiste Zeit als CGI-animiertes Rieseninsektoid
aufmarschieren ließ, zeigte sich Stephen Sommers von der (natürlich
kalkulierten) Publikumsresonanz animiert, dem sechsfachen
World-Wrestling-Champion ein eigenes Filmwerk auf den Leib zu
schneidern.
Obwohl "The Scorpion King" offiziell als Prequel zu den beiden
Mumienfilmen geführt wird, hat der Streifen inhaltlich kaum noch etwas
mit den Abenteuern des Mullbindenmannes gemein. "Eraser"-Regisseur Chuck
Russell, der den Regie-Stuhl von Stephen Sommers übernahm, verzichtete
im Gegensatz zu den "Mummy"-Filmen gänzlich auf Horror- und
Fantasy-Versatzstücke und verlegte sich ganz auf die Grundprinzipien
eines jeden Barbaren- und Sandalenfilms. Neben dem Gattungswechsel ist
auch die Hauptfigur nur noch vom Namen und Aussehen her mit dem
Skorpionkönig aus "The mummy returns" identisch: Aus dem dämonischen
Rebell, der sich mit dem Totengott Anubis verbündete, um mit einer Armee
von hundeköpfigen Monstern das ägyptische Theben niederzuringen und 4000
Jahre später die Menschheit zu bedrohen, wird hier ein heldenhafter,
muskelstrotzender und schwertschwingender Anabolika-Strahlemann mit
blitzblanken Zähnen, sauber frisiertem Pferdeschwanz und breiter
Identifikationsmöglichkeit für das pubertäre und vorpubertäre
Zielpublikum.
Inhaltlich haben sich Regisseur Russell und Drehbuchautor Jonathan Hales
gar nicht erst die Mühe gegeben, der allenfalls rudimentär zu nennenden
Handlung auch nur den Hauch eines pseudo-historischen Anstrichs zu
geben. Unbeschwert verwursten sie stattdessen so ziemlich alles, was das
Abenteuer-, Sandalen- und Barbaren-Kintopp der vergangenen 30 Jahre an
abgedroschenen Billigstmotiven herzugeben vermag, verquirrlen das Ganze
mit diversen aus dem Zusammenhang gerissenen Elementen aus abend- wie
morgenländischer Mythologie, mixen noch einen kräftigen Schuss Martial
Arts und möglichst exotische Schauplätze dazu, garnieren das Ganze mit
kernigen Mannsbildern und holden Weiblichkeiten, und fertig ist das
knallig-spaßige Fantasy-Gebräu, das sich im Gegensatz zu seinen
thematischen Vorgängern aus den 80ern nicht eine Sekunde ernst nimmt -
einen Güterzug Popcorn bitte!
Ob Handlung oder Figurenzeichnung - es ist einfach jedes Klischee des
Genres dabei. Der edle, lendenschurzbewehrte Recke, der so
muskelfleischstrotzend wie das Bodybuildingstudio ihn erschuf die Feinde
gleich im Dutzend billiger erledigt, die geheimnisvolle Schöne, der
erzböse Tyrann, der entsprechend den Regeln des Martial-Arts-Films als
unüberwindbarerer Schwertkämpfer charakterisiert wird, der plappernde,
pünktliche Dialogpointen liefernde Sidekick, der immer dann zur rechten
Stelle ist, wenn ausnahmsweise mal dem Helden aus der Patsche geholfen
werden muß - es ist wie bei einem Treffen zum Kaffeeklatsch mit lauter
guten, alten Bekannten. Daß der Bösewicht Memnon heißt und ebenso
unhistorisch ist wie das angebliche Assassinen-Volk der Arkadier, stört
genauso wenig wie diverseste andere anachronistische Albernheiten. Und
dass das Ganze in einer Stadt namens Gomorra spielen soll, setzt dem
Nonsens schon fast die Krone auf.
Rudimentäre Strukturen einer logischen Handlung sind bei "The Scorpion
King" ohnehin nur bei äußerst intensiver Suche und mit sehr viel gutem
Willen zu orten, aber quem jucat? Chuck Russells Film will, genau wie
die Wrestling-Aktivitäten von Hauptdarsteller Wayne "The Rock" Johnson
ohnehin nur eins: Fun Fun Fun! Was bereits der furiose Auftakt mehr als
deutlich macht, bei dem Johnson alias Mathayus wie ein Deus ex machina
mit Donnergetöse in der Unterkunft eines feindlichen Wikingerstammes
(sic!) aufkreuzt und seine Widersacher mit einem herzlichen "Buh!"
begrüßt. Huhu, das Kasperle mit dem großen Bizeps und dem noch größeren
Säbel ist da!
Von da an ist die Marschrichtung gesetzt, im Fünf-Minuten-Takt setzt es
wüste, aber äußerst artistische und stets ansprechend choreographierte
Kloppereien, bei denen weder Logik noch die Gesetze der Schwerkraft und
der übrigen Physik eine sonderlich gewichtige Rolle spielen, dafür aber
Slapstick und Klamauk umso mehr. Chuck Russell serviert diese
anarchische Vorzeit-Action in einem so atemberaubenden Tempo, als wolle
er John Woo die Ehre erweisen - die Wüste bebt. Dabei geschieht das
Hauen, Stechen und Knochenbrechen beinahe unter Ausschluss jeglichen
Filmblutes. "The Scorpion King" bekennt sich damit unverblümt zu dem,
was Wrestling ohnehin ist: Ein großes Spectaculum.
Die bestens aufgelegte Darsteller-Crew, allen voran der mimisch leicht
unter Schwarzenegger-Level chargierende, aber unerwartet selbstironisch
und sogar bisweilen sympathisch auftretende Dwayne Johnson, die
betörende Kelly Hu und Charakterkopf Michael Clarke Duncan (der
gutmütige Hüne aus "The Green Mile"), agiert, als ließe man sie auf
einer großen Party sich austoben. Der völlig unkenntlich geschminkte
teutonische Muskelmane Ralph Moeller darf ebenso als treudoofer
Sparringspartner des Hauptdarstellers herhalten wie die große Zahl
gesichts- und namenloser Statisten, die von Testosteron-Augenweide The
Rock auf dem Weg zum Final Showdown platt gemacht werden. Daß die
Charakterzeichnung der Figuren dabei die Tiefe eines Stück
Butterbrotpapiers erreicht, ist bei einem Film dieses Kalibers nicht nur
zu erwarten, sondern eigentlich schon Grundvoraussetzung für sein
Funktionieren.
Auch beim Drehbuch vermag man sich des Eindrucks nicht erwehren, als
habe Autor Jonathan Hales einfach mal eine sehr feucht-fröhliche Nacht
mit dem Verfassen von ein paar Zeilen Text abgeschlossen. Obwohl
inhaltlich fast exakt gleich, wirkt "The Scorpion King" wie eine
Tex-Avery-Version von John Milius' "Conan", der uns damals - vor nunmehr
20 Jahren - statt eines flotten Schlagetotstreifens eine ungleich
düsterere, grimmige und in Blut watende Mixtur aus nordischer
Mythologie, Wagner-Oper und Passionsspiel mit gekreuzigtem
Schwarzenegger vorsetzte, eine "stupide Psychopathenfassung von Star
Wars", wie das Time Magazine damals urteilte, "mit der Grazie und dem
Grips eines Brontosaurus" - so die Wochenzeitung Die Zeit. Der
Spaß-Faktor beim 2002er Conan-Klon ist dagegen nicht nur enorm, er ist
sogar Sinn und Zweck des Ganzen.
Trotz Intelligenzverweigerung vom Ausmaß eines handelsüblichen
Mittelgebirges hat Russels "Scorpion King" also alle Zutaten für ein
äußerst kurzweiliges und spaßiges Popcorn-Event. Und wenn man bedenkt,
dass es tatsächlich Spekulationen darüber geben soll, den mittlerweile
54jährigen Arnold Schwarzenegger ein drittes Mal als Conan the Barbarian
auflaufen zu lassen, dann ist Dwayne Johnson allemal die bessere
Alternative! "The Scorpion King" ist nichts weiter als eine knallbunte,
quietschfröhliche und schnell verdaute Film-Seifenblase, genauso sinn-
wie niveaufrei, aber ebenso ohne Risiken und lästige Nebenwirkungen.
Blubb!
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