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Kino - dafür werden Filme gemacht

Resident Evil

"Residenz" Bückeburg (13.03.2002)

Kritik von Johannes Pietsch

Schon lange gelten Zombies als die Archetypen des Horrorfilms mit dem denkbar schlechtesten Ruf. Spätestens seit George A. Romero die Widergänger mit dem ungesunden Appetit auf die Eingeweide der Gattung Homo Sapiens 1968 in "Night of the living dead" und 1977 in "Dawn of the dead" auf die (Lebend-Nahrung darstellende) Menschheit losließ, standen die unbeholfen umherstaksenden, aber oft und gerne herzhaft zubeißenden Untoten synonym für Horrorfilme, die statt intelligentem Schauer immer exorbitantere blut- und hirnverspritzende Schreckensspektakel veranstalteten und sich scheinbar allein das Auslösen eines möglichst heftigen Brechreizes zum Ziel gesetzt hatten.

Nach der ersten und primitivsten Zombie-Welle in den 80ern konnten auch verbesserte Tricktechnik und geringfügig intelligentere Drehbücher wenig an dem ruinierten Ruf retten. Nach Peter Jacksons grandioser Splatter-Groteske "Braindead" schien 1992 zum Thema der lebenden Toten schlicht und einfach alles gesagt oder besser gefilmt worden zu sein, und die unappetitlich anzusehenden Menschenfresser verschwanden endgültig im Underground billigster Independent- und Direct-to-Video-Produktionen. Umso gespannter richteten sich die Erwartungen auf die Computerspielverfilmung "Residen t Evil", mit der sich Regisseur Paul Anderson anschickte, den torkelnden Toten nach langer Abstinenz von der großen Kinoleinwand zu einem Comeback zu verhelfen.

Auf innovative Impulse für das seit Jahren schlummernde Subgenre des Zombiefilms hofft man jedoch bei "Resident Evil" vergeblich. Anderson mixte sich seinen Horror-Game-Cocktail so seelen- und phantasielos, so bar jeglicher Spannung und Atmosphäre zusammen, dass das Ergebnis in weiten Strecken nur zu enttäuschen vermag. Und das zum Teil völlig unnötigerweise: Einige recht gelungene Einfälle, insbesondere der visuellen Art, lassen im Ansatz erahnen, was aus "Resident Evil" alles hätte werden können. So jedoch gelingt es auch Paul Anderson nicht, dass Dogma, aus einem Computerspiel könne einfach ein gelungener Film entstehen, zu brechen.

Dabei hätte der Brite beim Thema Computerspiel gewarnt sein müssen. Schon 1995 wurde er in der öffentlichen Kritik für seine unterirdisch schlechte Game-Adaption "Mortal Kombat" förmlich gesteinigt. Während die heftige Negativkritik über den Nachfolger "Event Horizon" teilweise übers Ziel hinausschoss, ließ sich für Andersons letzten Film "Star Force Soldier" nur eine Wertung formulieren: Indiskutabel.

Nun also "Resident Evil" und damit wieder eine Computerspielverfilmung. Ähnlichkeiten zum 97er "Event Horizon" sind unübersehbar: Auch hier gerät ein wissenschaftliches Experiment außer Kontrolle, diesmal nicht im fernen Weltall, sondern in einem weitläufigen, unterirdischen Forschungslabor ("Hollow Man", "Deep Blue Sea" und Co. lassen natürlich grüßen), und wieder wird eine kleine Spezialeinheit von Eliteeinsatzkräften geschickt, um drunten im Höllenschlund nach dem Rechten zu sehen. Kaum ist das donnernde und leichenträchtige Intro, bei dem mörderische Viren, Nervengase und herabstürzende Fahrstühle der wissenschaftlichen Crew des Laboratoriums auf sehr effektvolle Weise den Garaus machen, verklungen und die Spezialeinheit in die Katakomben eingedrungen, beginnt sich das Anderson'sche Zitatenkarussell zu drehen: Verdammt, die Zombies kommen!

Es wäre müßig, "Resident Evil" vor das Antlitz all jener Vorgänger und Vorbilder zu zerren, aus denen der Regisseur für seinen subterranen Untoten-Marathon geschöpft hat. Paul Anderson rekapituliert alle Mechanismen des altbekannten Motivs von der kleinen Schar, die abgeschlossen von der Außenwelt in unterirdischen Kavernen um ihr Leben kämpft. Fleißig gelernt hat er seine Zombie-Lektionen allerdings: Angefangen von den Standard setzenden Filmen George A. Romeros, über Lucio Fulci, Lamberto Bava bis zu den jüngeren Untotenstreifen eines Brian Yuzna und eines Dan O'Bannon. Da ist kaum ein Klischee, welches uns in "Resident Evil" blutverschmiert und nach Menschenfleisch schnappend über den Weg watschelt, das nicht in vielfacher Weise in diversesten früheren (Mach-)Werken des Genres bemüht worden wäre. Dabei scheint Paul Anderson klar auf das Alter des Zielpublikums zu spekulieren und darauf, dass diese Zuschauer, von denen viele sich aus den Reihen der "Resident- Evil"-Spieler rekrutieren dürften, die meisten Vertreter der besonders schmodderigen Zombie-Welle in den 80ern kaum mehr kennen dürften.

Nicht nur das unterirdische Labor, in dem das halbverweste Leichenvolk zum Halali auf menschliches Frischfleisch bläst, ist bekannt aus "Day of the dead" (1985). Aus George A. Romeros Abschluss seiner Zombie-Trilogie wurden mehrere komplette Szenen eins zu eins importiert. Die militärische Spezialeinheit, die angesichts der Übermacht von tappsigen Torkel-Toten schnell von Jägern zu Gejagten wird - alles 1980 schon gehabt in "Inferno dei morti viventi" (und vielen anderen). Michelle Rodriguez als rotziges Söldner-Babe ist natürlich nichts anderes als ein verjüngtes Alter Ego von Private Vasquez alias Jenette Goldstein aus James Camerons "Aliens" (1986). Motive von allmächtigen, alles steuernden Computerhirnen, wie es hier die "Red Queen" darstellt, fußen letztendlich alle auf Kubricks "2001". Etwas jüngeren Datums ist das Laser-Abwehrsystem, mit dem unliebsame Besucher der Computerzentrale in handliche kleine Würfel geschnitten werden und welches sich Anderson bei Vincenzo Natalis "Cube" auslieh. Und im horriblen Finale werden sogar George A. Romeros "Crazies" und Lucio Fulcis "Zombi 2" bemüht.

Der reine Vorwurf filmischer Grabräuberei wirkt allerdings weniger schwer als das, was Paul Anderson aus seinem Zitatengebräu kreierte: Hätte er aus den diversen, zusammengeklaubten Zutaten ein halbwegs atmosphärisch stimmiges Stück Horrorkino gezaubert, man hätte ihm das Abkupfern verzeihen können. Doch "Resident Evil" wirkt größtenteils wie eine laue Geisterbahnfahrt, bei der sich eine fade Gruselattraktion an die nächste reiht, ohne dass sich daraus auch eine marginale Spannungssteigerung extrahieren ließe. "Event Horizon" hatte - trotz aller hinlänglich bekannten Schwächen und spekulativen Versatzstücke - so etwas wie eine Atmosphäre, wirkte kompakt, war stellenweise wirklich unheimlich. Bei "Resident Evil" türmen sich dagegen Monster, Zombies und Handlungsfragmente wie lose Trümmer aufeinander, ohne sich zu einem stringenten, homogenen Ganzen zu verdichten. Zudem geht Anderson zum Finale gnadenlos nach dem Prinzip "höher, schneller, weiter" vor, packt immer noch ein Monster, noch einen Effekt, noch ein Zitat und noch eine Actionsequenz ins marktschreierische Untertage-Zombie-Sonderangebots: Hier noch ein bisschen "Relict", da noch einen Happen "Speed", und fertig ist die Horror-Fastfood-Tüte zum Mitnehmen für den filmischen Aldi-Gourmet.

Dass die Darsteller allesamt nur Knallchargen-Niveau bieten, insbesondere die beiden weiblichen Hauptdarsteller, kann man bei einem Film dieses Metiers, in denen die meisten Figuren eh nur als Füllstoff für den genre-typischen Zehn-kleine-Negerin-Abzählreim dienen, nicht anders erwarten. Insbesondere die ehemalige Johanna von Orleans Milla Jovovich ist als leichtgeschürzte, kampfstarke Anti-Zombie-Amazone zwar sehr hübsch anzuschauen, wirkt aber geradezu lächerlich deplaziert.

Allein einige Schauwerte sind es, die "Resident Evil" vom Niveau gängiger Direct-To-Video-Formate abheben. Das Interieur der unterirdischen Forschungsstation und zahlreiche digitale Effekte haben tatsächlich internationales Format. Die inhaltlichen Schwächen bilden dieser generösen Ausstattung gegenüber einen ähnlichen Kontrast wie bei all jenen amerikanischen Blockbuster Marke "The mummy returns", bei denen sich stets die Höhe des Special-Effects-Budget umgekehrt proportional zur Komplexität und zum Sinngehalt der Story verhält. "Resident Evil" gerät damit tatsächlich zum zelluloidgewordenen Abbild dessen, worauf sich der Film originär beruft: Eines Computerspieles, bei dem monoton Monster für Monster, Zombie für Zombie und Level für Level abgehakt wird. Dass das auch anders und viel besser geht, bewies - zum Beispiel - Brian Yuzna mit seinem beeindruckenden "Return of the living dead 3", in dem er die völlig ausgereizt scheinende Zombie-Thematik mit einem faszinierenden Romeo-und-Julia-Plot verband. Für deutsche Zuschauer dürfte eine Besetzung in "Resident Evil" für ungeahnte (und sicherlich auch weitgehend unbeabsichtigte) Heiterkeitsausbrüche in den Parkettreihen der Multiplexe sorgen: Heike Makatsch als anämische Untote!

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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