Als Vorbild für viele diese On-the-run-Motiv-Filme dürfte John Farrows "The big clock" gedient haben. Dieser brilliante, hochkarätig besetzte und grandios gespielte Noir-Thriller aus dem Jahr 1948 zeigte Ray Milland als Karriere-Journalisten, der in ein geradezu irrsinniges Intrigengeflecht gerät, als sein Chef (Charles Laughton) versucht, einem Unschuldigen den Mord an seiner Geliebten in die Schuhe zu schieben. Spionage-Spezialist Roger Donaldson drehte 1987 mit "No way out" ein fast ebenbürtiges Remake der Farrow-Vorlage, mit Kevin Costner in der Milland- und Gene Hackman in der Laughton-Rolle. Und auch zu Carl Franklins "Out of time" dürfte der Noir-Klassiker aus dem Jahr 1948 direkt Pate gestanden haben. Seit Beginn der 90er Jahre gilt Carl Franklin als versierter Thriller-Lieferant der zweiten Garnitur. In "One false move" setzte er 1992 Billy Bob Thornton und Bill Paxton als Verlierertypen in Szene, die sich auf der Flucht vor dem Gesetz durch den Süden Amerikas ihrem Schicksal wie im klassischen Western zum Duell stellen müssen. In "Devil in a blue dress" arbeitete er das erste Mal mit Denzel Washington zusammen, den er als Privatdetektiv auf den Spuren der betörenden Jennifer "Flashdance" Beals in eine mörderische Intrige geraten ließ. Die Idee, die Abgründe seiner Figuren erst Schritt für Schritt zu offenbaren und letztendlich daraus den hauptsächlichen Clou eines Films zu ziehen, machte er endgültig in "High Crimes" zum Prinzip, einem Film, der trotz cleverer Story und guter Besetzung (Morgan Freeman, Ashley Judd) wegen einer wirklich bleiern einschläfernden Inszenierung an den Kinokassen floppte.
Abseits all dieser dienstlichen Einöde liegt auch Whittlocks Eheleben brach, da sich Gattin Alex (Eva Mendes) schon lange von ihm abgewendet hat und der Polizeichef nur noch auf das Eintreffen der Scheidungspapiere wartet. Da mag man es als nicht sonderlich puritanischer Kinogänger dem Protagonisten von "Out of time" schon fast nachsehen, dass er bereits seit geraumer Zeit eine leidenschaftliche Affäre mit der heißblütigen Gattin (Sanaa Lathan) eines örtlichen Footballstars pflegt. Doch auf die unmoralische Idylle legt sich ein Schatten, als Matt erfährt, dass die Geliebte schwer krebskrank ist und nur durch eine sehr kostspielige Therapie in Europa noch Hoffnung auf Rettung besteht. Nachdem es der ansonsten so gesetzes- und prinzipienfeste Polizeichef bereits mit dem siebten biblischen Gebot, nicht ehezubrechen, nicht so genau nahm, stellt er das darauf folgende, in dem es bekanntermaßen um's Entwenden von anderer Leuts Eigentum geht, auch gleich hinten an und lässt aus dem polizeieigenen Safe eine große Menge Bargeld mitgehen, welches dort als Beweismaterial für einen großen Mafiaprozess zwischenlagerte. Doch das war ein Fehltritt zuviel, um nur wenige Stunden später sind die Geliebte und ihr leicht cholerischer Ehemann mausetot, deren Haus niedergebrannt und das Geld verschwunden, und der so respektierte Gesetzeshüter steckt bis über beide Ohren im kolossalsten Schlamassel seines Lebens.
"Out of time" - der Titel ist dabei Programm. Der Polizeichef hat auf seiner Jagd nach dem verschwundenen Geld, dem wahren Mörder und gleichzeitig der Flucht vor allen übrigen Ermittlern nicht nur die Zeit zum Feind - darauf spielte bereits der Titel des großen Vorbilds "The big clock" an - er ist vor allem auch aus seinem beschaulichen Alltags-Idyll, seiner gewohnten, ereignis- aber eben auch risikolosen Kleinstadt-Routine geschleudert und sieht sich auf einmal mit der Bedrohung seiner gesamten bürgerlichen Existenz - wenn nicht gar seinem Leben - konfrontiert. Oscar-Preisträger Denzel Washington gelingt es, dem zunächst sehr gemächlich und entspannt, später immer hektischer, immer planloser und panischer agierenden Helden ebenso glaubhafte wie vergnüglich selbstironische Kontur abzugewinnen. Der Darsteller-Preis für "Out of time" geht jedoch eindeutig an Eva Mendes, die sich nach ihren mehr als mageren Rollen als Stichwortgeberin für Johnny Depp in "Once upon a time in Mexico" und als weibliches Plakatmotiv in "2 Fast 2 Furious" endlich in einer angemessenen weiblichen Hauptrolle behaupten darf. 7 von 10 Punkten |
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.