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Neues vom Wixxer

"Residenz" Bückeburg (07.03.2007)

Kritik von Johannes Pietsch

Dass Filmregisseure, Maler oder Autoren als Reaktion auf den Erfolg eines ihrer Werke ein zweites, mögliches ähnlich geartetes folgen lassen, ist nicht erst seit Aufkommen der Hollywood'schen Fortsetzungsmanie ein Gesetz menschlichen Kunstschaffens. Ebenso wenig ist es ein natürlicher Zwang, dass der zweite Anlauf automatisch schlechter sein muss als der erfolgreiche Erstling - auch wenn die schier unüberblickbare Legion erbärmlich schlechter Filmfortsetzungen diese Vermutung nahe legt. Schon Homer schob nach der "Ilias" mit der "Odyssee" seinem ersten Bestseller einen zweiten hinterher und ließ damit auf sein erstes epochales Werk ein zweites noch grandioseres Stück Weltliteratur folgen.

Auch "Neues vom Wixxer", die Fortsetzung der Edgar-Wallace-Parodie "Der Wixxer" von 2004, hält interessanterweise qualitativ nicht nur mit seinem Vorgänger mit, sondern kann zur allgemeinen Überraschung stellenweise sogar einige Pointen noch deutlich treffsicherer platzieren als der Erstling. Auch der war anno 2004 ein absoluter Überraschungserfolg, insbesondere eingedenk der seinerzeit arg niedrigen Popularitätswerte seines Hauptakteurs Oliver Kalkofe. Kaum einer hatte 2003/2004 das TV-Lästermaul noch ernsthaft auf der Rechnung, und nahezu jeder glaubte, der unverkennbar aufs Medienabstellgleis geratene Erfinder von "Kalkofes Mattscheibe" habe sich mit seiner ersten Kinoproduktion einfach nur am Trendbüffet des drei Jahre älteren "Schuh des Manitu" bedienen wollen, "Der Wixxer" sei somit nur ein flott dahergeschossenes Ripp-Off des Bully-Erfolgs.

Genau das war "Der Wixxer" jedoch nicht. Die Idee, dem teutonischen 60-Jahre-Krimi-Kintopp ein filmisches Denkmal zu setzen, entstammte mitnichten Bully Herbigs kassenträchtiger Karl-May-Veralberung von 2001, sondern der Ära des Frühstyxradios, jenes legendären selbsterklärten "größten Kulturmagazins der Welt", welches von 1988 bis 1998 über die Wellen des niedersächsischen Privatsenders FFN aus Isernhagen ausgestrahlt wurde und das damals zur Initialzündung einer ganz neuen Welle anarchischen Brechstangenhumors made in Germany werden sollte.

Mit brachialem Fäkalhumor, rotzigsten Verbal-Injurien, zotigsten Gossen-Kalauern und gezielter Übertretung jeglicher Geschmacksgrenzen hatten die Frühstyxradio-Erfinder Dietmar Wischmeyer, Asso Richter, Andreas Liebold und Sabine Bulthaup von 1988 an das bis dato kaum mehr als bieder zu bezeichnende teutonische Spaß-Unwesen auf den Kopf gestellt und damit den Weg geebnet für die nachgeborene Comedy-Generation à la Ingo Appelt, Atze Schröder oder Tom Gerhardt. Die zelebrierte Arschkrampen-Anarchie des FFN-Frühstyxradios fand jeden Sonntag Vormittag eine eingeschworene Anhängerschaft von mehreren Hunderttausend Hörern, und selbst eine (kurzzeitige) Absetzung der Sendung im Frühjahr 1992 konnte ihren Erfolg nicht bremsen, sondern brachte vielmehr den für die Absetzung verantwortlichen Programmdirektor Peter Bartsch zu Fall.

Oliver Kalkofe war 1991 zu der Wischmeyer-Truppe gestoßen und hatte der Sendung unter anderem den Ferkelwämser Gürgen Ferkulat, den massenmordenden Herrn Radiooven, den speckigen Märchenerzähler Onkel Hotte, den Denglisch-brabbelnden Fremdenführer Alfons Derra sowie den autobiographisch eingefärbten Praktikanten Hans-Jürgen auf dem Raumschiff "FFNterprise" beschert. 1996 erfand er gemeinsam mit seinem Comedy-Partner und späteren Sport-Moderator Oliver Welke - beide firmierten beim Frühstyxradio als das Duo Kalk & Welk - den "Wixxer", ein - so wörtlich - "Kriminalhörspiel in mehreren tausend Teilen", in dem die beiden sensationell unterbelichteten Scotland-Yard-Ermittler Very Long (Welke) und Even Longer (Kalkofe) mehrere Wochen lang auf Radio FFN in täglich wenige Minuten langen Folgen mit so einschlägigen Titeln wie "Der Frosch ohne Maske", "Das Scheißhaus an der Themse", "Der blöde Bogenschütze" oder "Die toten Hosen von London" nach dem titelgebenden Superverbrecher fahndeten. Die Radio-Serie mündete schließlich in einer denkwürdigen dreistündigen Sondersendung in der Nacht zum 1. Advent 1996, in der unter intensiver Beteiligung der Zuhörer die Identität des Schurken gelüftet wurde.

Oliver Kalkofes Kunstgriff beim Kinofilm "Der Wixxer" bestand darin, aus der Konkursmasse des Frühstyxradios und seines eigenes TV-Formats "Kalkofes Mattscheibe" sowie dem Erbe der legendären Edgar-Wallace-Filme ein stimmiges Humor-Potpurri zusammenzurühren. Dabei forderte "Der Wixxer" dem Zuschauer jedoch einiges an generationsübergreifender Medienkompetenz ab: Ohne Kenntnis von Kalkofes Comedy-Vergangenheit bei Radio FFN waren zahlreiche der Pointen schlicht und einfach nicht zu verstehen.

Dem geht die Fortsetzung "Neues vom Wixxer" nun weitgehend aus dem Weg. Weniger Frühstyxradio und weniger Mattscheibe, kein Earl of Cockwood und keine degenerierten Zwillinge Pommi und Fritti mehr, dafür mehr "Scary Movie" und "Nackte Kanone" lautet die Devise. Wieder begleitet der Zuschauer die beiden IQ-tiefergelegten Scotland-Yard-Ermittler Very Long und Even Longer auf der Jagd nach dem legendären Superverbrecher, dessen Name - natürlich - an den Edgar-Wallace-Klassiker "Der Hexer" erinnert, dessen Totenkopfmaske jedoch "Im Banne des Unheimlichen" entlehnt wurde. Wie im Vorgänger übernimmt für die Filmfassung TV-Comedian Bastian Pastewka die Rolle des Very Long, während Oliver Welke, der Very Long der Hörspielfassung von 1996, als mittelschwer beschränkter Gerichtsmediziner Dr. Brinkmän reüssiert.

Gleich zu Beginn wird mit den Überbleibseln des ersten Teils Tabula rasa gemacht. Der erste Wixxer sinkt getroffen von Pfeilen in eine bereit stehende Grube, neben der sich passenderweise auch gleich die Grabsteine weiterer zukünftiger Opfer erheben. Eile ist geboten, denn hier will der neue Wixxer binnen weniger Stunden seine Gegner unter die Erde bringen. Also geht es erneut auf die ebenso atemlose wie inhaltlich kaum der Rede werte Hatz nach dem Oberschurken, in dessen Maske offensichtlich ein neuer Übeltäter geschlüpft ist. Und wie schon im ersten Teil hat der mit dem von Oliver Kalkofe allenfalls leidlich komisch verkörperten Chief-Inspector Even Longer ein ganz persönliches Hühnchen zu rupfen.

Unter der Regie von Cyrill Boss und Philip Stennert geht es in "Neues vom Wixxer" wiederum dem urdeutschen Popkulturgut Edgar Wallace an den Kragen. "Hallo, hier spricht Edgar Wallace sein Nachbar..." Mag dieser Nachbar auch etwas debil erscheinen, so hat er doch eifrig an der Wand gelauscht: Kein filmhistorisches Detail ist zu entlegen, um nicht durch eine pointierte Anspielung auf Kalkofes Kinomattscheibe gebannt zu werden. Im Großen und Ganzen dominiert dabei die ruchlose Hommage, wie man sie aus der amerikanischen Naked Gun-Reihe kennt, angereichert wird sie mit einer durchaus ernst zu nehmenden Verbeugung vor dem Original. In Pastewkas übereifrigem Assistenzinspektor Very Long lässt sich leicht das Vorbild Eddie Arendt erkennen. Lars Rudolph, im ersten Teil noch als Harry Smeerlap unterwegs, gibt diesmal als Chucky Norris (eine sehr hübsche Namensverballhornung des gealterten Karate-Stars zur gleichnamigen Mörderpuppe) die perfekte Klaus-Kinski-Reinkarnation.

Wirklich geadelt wird die Fortsetzung durch das Mitwirken des gerade 80 Jahre alt gewordenen Joachim Fuchsberger. Der spielte damals in mehreren Edgar-Wallace-Streifen aus der Filmschmiede Rialto den Inspector Bryan Edgar Higgins und setzt diesen Part nun als mondäner Scotland-Yard-Veteran Lord David Dickham (ein Schelm, wer dabei Ähnlichkeiten mit einem gewissen Fußballstar vermutet) fort. Mit Chris Howland als Butler Hudson aus "Das Haus am Eaton Place" sowie der 70er-Jahre-Ikone Judy Winter flankieren ihn zwei weitere Große aus jener Zeit, als Heinz Drache noch den Zinker jagte und Pierre Brice als Häuptling der Apatschen an den Plitwitzer Seen entlang ritt.

Von der zeitgenössischen Comedy-Front prägt sich als Neuzugang vor allem Christian Tramitz als Flamenco-tanzender Humphrey-Bogart-Klon ins Gedächtnis. Was die unsägliche Hella von Sinnen dem Humorpotential des "Wixxer"-Sequels hinzufügen soll, bleibt ebenso ein Geheimnis wie die viel zu schmal angelegten Rollen der wunderbaren Christiane Paul und der kaum weniger talentierteren Sonja Kirchberger.

Die Gags oszillieren wieder irgendwo zwischen schön blöd und saublöd, dafür sind Look und Atmosphäre, wie es sich für eine richtige Persiflage gehört, absolut stimmig. So wechselt der Film in vielen Szenen sinnigerweise von Farbe nach Schwarzweiß, was nicht nur in der Handlung begründet wird, sondern auch wiederholt Gelegenheit für selbstreferentielle Elemente bietet.

Aber das ganze wäre nicht einmal halb so witzig, wäre da nicht der nach wie vor schlicht grandiose Christoph Maria Herbst in der Rolle des Alfons Hatler, der mit schwarzem Oberlippenbärtchen und straff gezogenem Scheitel allen Möchtegern-Gröfazen dieser Welt zeigt, wie man einen Diktator wirklich parodiert. Nach seinem Einsatz als Butler im ersten Teil, der sich den Gästen von Schloss Blackwood-Castle auch gerne einmal "als Führer anbot", leitet er nun eine Londoner Irrenanstalt, deren Name Alfred Hitchcocks "Psycho" referenziert Weitere gelungene Kalauer liefern Parodien auf aktuelle Film- und TV-Erfolge wie "24" oder "Saw", und bei einer eingeschobenen Werbepause mit herrlich behämmerten Spots für Handy-Klingeltöne glaubt man sich fast wieder im FFN-Frühstyxradio.

Ein bisschen "Kalkofes Mattscheibe" darf es dann auch sein, wenn sich Ostzonen-Entertainer Achim Mentzel, Roberto Blanco als der Puppenspieler von Mexico, Bernd Clüver als der Junge mit der Mundharmonika und Frank Zander als Fred Fahrwasser in kurzen Gastauftritten ein Stelldichein geben. Wie liebevoll und sympathisch die einstmals bevorzugten Zielscheiben von Oliver Kalkofes Spott hier ihre Cameos abliefern, zeigt indes auch, wie sehr der TV-Zyniker seinen einstigen Ruf wie Donnerhall in der Medienwelt eingebüßt hat. Anfang der 90er galt er noch als böses Enfant terrible, geradezu als Paria, als er Patrick Lindner noch als "Nightmare on Alm-Street", Wolfgang Lippert als "Grabbel-Zoni mit Kassengestell" und Karl Moik als "finale TV-Apokalypse" bezeichnete.

Und genau das ist es, was man bei allem gelungenen Humor letztendlich beim ersten wie beim zweiten "Wixxer" vermisst: Den abgründig geschmacklosen, bizarren und anarchischen Brachial-Witz des FFN-Frühstyxradios, so wie er 1996 noch in der Hörspielfassung zu erleben war. Dieser Humor hat einen Namen: Dietmar Wischmeyer. Der Erfinder, Kreativkopf und Genius des Frühstyxradios war es nämlich - und nach über zehn Jahren sei es erlaubt, es zu verraten - der im November 1996 in jener denkwürdigen mitternächtlichen Radio-Sondersendung von Inspector Very Long und Chief-Inspector Even Longer als Der Wixxer enttarnt wurde.

Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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