Woody Allens Filmschaffen war vielmehr in den letzten Jahren von einem steten Auf und Ab in geringer Amplitudenhöhen geprägt. Nach dem schwachen "Mighty Aphrodity" und dem zwiespältigen "Celebrity" zeigte insbesondere sein letzter Film "Schmalspurganoven" einen quicklebendigen und vor Witz nur so sprühenden Woody Allen. Mit dem Nachfolger "Im Banne des Jade-Skorpions" setzt der immer zeitlosere Neurosenspezialist noch einen drauf und präsentiert uns eine wunderschön komponierte und absolut authentisch ausgestattete Zeitreise in seine Lieblingsepoche, die 40er Jahre.
Für viele ist Allen stets der jüdische Skeptiker und neurotische Pechvogel geblieben, den er in "Play It Again, Sam", "Annie Hall" und "Manhattan" so virtuos zusammenstotterte. Und jetzt Woody Allen als Schürzenjäger, ausgerechnet er? Selten dürfte der bekennende Stadtneurotiker sein Paradeimage als kleiner, verschusselter Looser und die inzwischen unübersehbaren Spuren seines Alters so virtuos und selbstironisch eingesetzt haben. Wenn Allen mit fahrigen Bewegungen durch das Versicherungsbüro seines filmischen Arbeitgebers fuhrwerkt und an jedem Rockzipfel eine blendend aussehende Verehrerin hängen hat, die ihn für die jüngste Lösung eines kniffligen Bilderdiebstahls anhimmelt, dann hören wir sogar Humphrey Bogart lachen. Denn der Kontrast zwischen dem Anspruch eines erfolgreichen, ausgebufften Versicherungsdetektivs im Stil der Noir-Welle mit genauso vielen Groopies wie gelösten Fällen, den dieser C.W. Briggs nach den Vorgaben des Drehbuches darstellen soll, und der Figur mit der traurigen Gestalt und dem nervösen Gefuchtel, die wir stattdessen auf der Leinwand zu sehen bekommen, könnte kaum größer sein.
Und mit der gleichen Leichtigkeit erzählt Allen seinen Plot: Die Geschichte vom Versicherungsdetektiv Briggs, der mit seiner jungen und äußerst adretten Kollegin Betty Ann Fitzgerald (Helen Hunt) aneinander rasselt, da sie sein selbstsüchtiges und eigenmächtiges Gehabe nicht mitspielt, mit ihr zusammen von einem mysteriösen Varieté-Magier hypnotisiert und anschließend als fremdgesteuertes gemischtes Diebes-Doppel missbraucht wird, was zwangsläufig irrsinnigerweise dazu führt, dass C.W. Briggs seine eigenen Verbrechen aufzuklären hat und einer Kaskade herrlicher Situationskomik und Slapstick-Einfälle Raum bietet. Ein bisschen Krimi, ein bisschen Fantasy und ganz viel authentischer 40-Jahre-Flair, und Woody Allen gelingt eine nostalgische Grazie, wie wir sie seit "Manhattan Murder Mysterie" nicht mehr erlebten. "Im Banne des Jade-Skorpions" ist eine wundervolle Hommage an den Film Noir, an die Klassiker und zugleich - wie schon so oft - an Woody Allens Lieblingsmetropole Manhattan.
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.