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Kino - dafür werden Filme gemacht

Im Fadenkreuz

"Residenz" Bückeburg (30.01.2002 - Sneak Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Es war immer schon sehr ärgerlich, wenn Hollywood Geschichtsklitterung zugunsten der Vereinigten Staaten und vor allem von deren Militärs betrieb. Und das nicht erst seit "Pearl Harbor": Besonders in den 80ern feierte die Verherrlichung der strammen Jungs von den Marines und der Navy fröhliche Urständ, als Tom Cruise mit aprilfrisch reinem Dentagard-Grinsen MIG-Kampfflugzeuge vom Himmel ballerte oder ein John Rambo und ein Colonel James Braddock vor Schweiß und mangelnder Intelligenz nur so triefend den Vietnamkrieg im Alleingang gleich dutzendfach nachträglich gewannen. Wenn aber 16 Jahre nach "Rambo 2" und "Missing in Action" die national-gloriose Retourkutsche fast ausschließlich mit Mitteln der damaligen Machwerke betrieben wird, kommt zum Ärgernis noch die Peinlichkeit hinzu.

Ein paar optische Unterschiede gibt es schon: Die Helden sehen heute anders aus als in den guten alten 80ern. Keine vor Blut, Schweiß und Dreck starrenden nackten Oberkörper, keine dämlich stierenden Gesichtsbaracken mehr, deren Einfältigkeit nur durch das Grün der Tarnbemalung abgemildert wird. Helden von heute strahlen aus porentief reinem Clerasil-Antlitz. Sie sind nicht mehr postergestützte Vorbilder des bierselig vor sich hin prollenden Vorstadtbunken wie vor anderthalb Jahrzehnten, sondern so strahlend jugendlich adrett, dass sie glatt als Hauptfigur für die neuste Bravo-Girl-Foto-Lovestory oder als Moderator für The Dome durchgehen könnten.

Owen Wilson - als trotteliger Pistolero in "Shanghai Noon" und als tuntiges Männer-Model in "Zoolander" Idealbesetzung - übernimmt in John Moores Soldatenheldenlied "Im Fadenkreuz" den Part des gelangweilten Yuppie-Soldaten mit interessant verdrilltem Näschen, der sich 1995 auf einem Flugzeugträger in der Adria langweilt und nur hin und wieder als Navigator Patrouillenflüge über das unruhige Bosnien-Herzegowina unternimmt. Als ausgerechnet am Heiligen Abend serbische Milizen seine F-18 Hornet abschießen und seinen Piloten hinrichten, beginnt für das Goldlöckchen ein mörderischer Kampf ums Überleben hinter den feindlichen Linien.

John Moore betreibt mit seinen Pappmacheefiguren aus dem Gruselkabinett des nationalpatriotischen Heldenfilms eine dummdreiste Schwarz-Weiß-Malerei, die schon geradezu pathologische Züge trägt: Die Amis sind ohne Ausnahme aufrechte, treu-tapfere Vaterlands- und vor allem Kameradenverteidiger, die Serben samt und sonders fiese, hinterhältige, kettenrauchende Mordgesellen und die bosnischen Muslime bemitleidenswerte, zerlumpte und glubschäugige Dummtrottel mit schlechten Zähnen, die sich eine Elvis-Tolle frisieren, Cola trinken und Hiphop hören. Als übelsten Bösewicht fährt Moore zynischerweise einen zur Gegenseite übergelaufenen Bosnier auf, der das Martyrium eines Gefangenenlagers überlebte und sich nun bei einem serbischen Warlord als Scharfschütze und Ausputzer verdingt.

Ganz besonders plump, weil erstens politisch irgendwo im Paläozoikum der Ronald-Reagan-Ära zurückgeblieben und zweitens historisch natürlich völliger Nonsens, fällt die Charakterisierung der nichtamerikanischen NATO-Partner in den Teich, die so ganz der Einteilung in Gut und Böse aus Stallones "Rambo"- und Norris' "Missing In Action"-Filmen und ähnlich revanchistischer Filmgurken entspricht: Hüben die braven, einfach gestrickten, aber im Bedarfsfall beinhart kämpfenden amerikanischen Edel-Recken, drüben das verlogene, bürokratische außer-amerikanische NATO-Gesockse mit einem portugiesischen Admiral an der Spitze, dem das Leben eines Navy-Piloten weniger wichtig ist als die politische Raison. Dargestellt wird dieses Vorzeige-Paragraphen-Ekel von Joaquim de Almeida, den wir als Oberschurken aus Phillip Noyce' "Clear and present danger" sowie "Desperado", Robert Rodriguez' "El-Mariachi"-Remake, kennen.

Die Rituale sind genauso reaktionär wie altbekannt. Der aufrechte, aber von seinen Befehlshabern zur Passivität verurteilte amerikanische Admiral (Gene Hackman) zieht gemächlich die Stirn kraus und lässt ein paar väterlich-besorgte Phrasen vom Stapel, die Replik erfolgt zackig mit peinlicher Theatralik vom Kameradenvolk des bei den Serben darbenden US-Piloten: "Sir, wir tun nichts, Sir." "Sir, einer von unseren Jungs ist da draußen, Sir." "Sir, wir müssen etwas tun, Sir."

Eigenartig mutet es an, wenn sich in ein inhaltlich derart krankes Machwerk auf einmal Action-Szenen und Kriegssequenzen von geradezu beklemmender Intensität schleichen: Wenn der Held in ein riesiges Massengrab stürzt oder zwischen sterbenden bosnischen Muslimen durch eine zerschossene Ruinenstadt gehetzt wird, ganz im Stil von "Saving Private Ryan" mit wackeliger Handkamera gefilmt, dann reißt sich der Film für kurze Zeit die Maske des nationaltönenden Heldenliedes vom Gesicht und zeigt die wahre, hässliche Fratze des Krieges. Doch der Zuschauer freut sich zu früh, statt naturalistischer Kriegsdarstellung ist alles nur dumpfe Propaganda gegen die Serben, die man natürlich als ehrenhafter Amerikaner zu Dutzenden über den Haufen schießen darf, um den eigenen verlorenen Sohn herauszuhauen.

Debütfilmer John Moore hat immerhin ein Gespür für Bilder. Mit rasanten Kamerafahrten, schnellen Schnitten, stakkatoartigem Zoomen und dem Einsatz von Frozen Frames gelingen ihm tatsächlich einige markante Action-Momente. Zugegeben hervorragend gefilmt sind die Flugsequenzen, als Owen Wilson und sein Pilot in ihrer F-18 Hornet verzweifelt den auf sie abgeschossenen Raketen auszuweichen versuchen. Und einige der Fluchtsequenzen erhalten durch einen hämmernden Synthesizer-Soundtrack zusätzlichen Drive.

Doch all diese optischen Vorzüge werden durch Form und Inhalt des Rests wieder zunichte gemacht. Wenn der All-American-Guy Owen Wilson mit wiegendem Coyboygang den bosnisch-serbischen Räuberwald durchpflügt, sein hübsches Gesicht zig mal unversehrt aus massivstem Kugelhagel und Granatenbeschuss der Serben rettet, mit heiler Haut durch ein explodierendes Minenfeld joggt, John McClane imitierend auf einem zugefrorenen See schlittert und ballert und zum hurrapatriotischen Final-Showdown gegen den feindlichen Sniper sogar den Schwarzenegger aus dem oliv-grünen Tornister kramen darf, hört der Zuschauer John Wayne und seine grünen Teufel im Himmel wiehern.

Kein Zweifel: Die Achse Hollywood-Pentagon funktioniert wieder wie in besten Top-Gun-Zeiten. Nicht erst seit dem 11. September 2001, sondern spätestens mit dem Amtsantritt von George Bush jr. ist die leinwandgestützte Schützenhilfe für die amerikanischen Jungs an der Front wieder salonfähig. Für eine frühe Drehbuchversion von "Im Fadenkreuz" zeichnete immerhin kein Geringerer als John Milius verantwortlich, seines Zeichens Regisseur von "Red Dawn", einem der übelsten Polit-Hetzfilme der 80er Jahre überhaupt.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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