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Kino - dafür werden Filme gemacht

Freddy vs. Jason

Gesehen am 22.11.2003 im Kinopolis Bad Oeynhausen

Kritik von Johannes Pietsch

Sie begegnen sich in Christian Dietrich Grabbes "Don Juan und Faust", und es ist ein wahrhaft höllisches Treffen dieser beiden Titanen des europäischen Theaters: Im ersten großen Schauspiel-Crossover der deutschen Dichtkunst, 1829 in Detmold uraufgeführt, dürfen sich Dun Juan, jener zügellose Verführer und klassische Urvater aller Womanizer, und der durch Seelenverkauf dem Teufel verschriebene Dr. Faust auf gemeinsamen Theaterbrettern gegenüberstehen, um in gleichem Maße ihrer schicksalhaften Bestimmung gerecht zu werden: Nach ihrem beiderseits vergeblichen Duell um die Gunst der schönen Donna Anna wird Faust vom Satan in Gestalt eines schwarzen Ritters in den Abgrund der Verdammnis gerissen, Don Juan fährt gemeinsam mit Diener Leporello, als ihm beim Abendmahl die Statur des von ihm ermordeten Gouverneurs erscheint, ebenfalls zur Hölle.

Crossover sind bis heute in Romanen, Filmen und speziell in TV-Serien und Comics ein beliebter, allerdings auch nicht allzu häufig wirklich gelungener Kunstgriff: Das Aufeinandertreffen zweier ähnlich gearteter Figuren oder Motivkreise unterschiedlicher Autorenschaft vermag zwar bei entsprechend intelligenter Konstellation die eine oder andere wirklich innovative erzählerische oder stilistische Facette durch den Kontrast der verschiedenen Partner hervorzukehren, nicht selten geraten derartige motivübergreifenden Begegnungen jedoch allein zum faden Abspulen der beiderseits gängigen Standardprogramme und Erzählroutinen. Wie grandios der Versuch eines Gipfeltreffens berühmter Literaturgestalten auf der Leinwand scheitern kann, zeigte erst jüngst die Comicverfilmung "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen", in der sich zahlreiche Protagonisten populärer Abenteuer- und Thrillerliteratur des ausgehenden 19. Jahrhunderts aus Anlass der zufällig gerade notwendig gewordenen Rettung der Menschheit zur Zweckgemeinschaft zusammenraufen. Was von der Begegnung der beiden berühmtesten Weltraum-Monster der Filmgeschichte, Alien und Predator, zu erwarten ist, klärt sich im November kommenden Jahres.

Mit "Freddy vs. Jason" stehen sich nun zwei wahre Urgesteine des Slasher-Kinos gegenüber. Schon lange war über eine Begegnung des Krallenmannes aus der Elm-Street mit dem Hockeymasken-Schlächter vom Chrystal Lake spekuliert worden, spätestens seit Jasons neuntem Kinoauftritt in "Jason goes to hell", in der man in der Schlusseinstellung für einen kurzen Moment Freddy Kruegers Messerklauen aufblitzen sah, die den scheinbar mal wieder endgültig besiegten Jason ins Fegefeuer zerrten. Doch auch dieser Film liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. Nun endlich schlägt unter der Regie von Ronny Yu die Stunde für das erste Rendezvous der beiden altgedienten Alles-Schneider - mit reichlich zwiespältigem und für Fans kaum befriedigendem Ergebnis.

Schauen wir zurück: Die 80er Jahre waren das Jahrzehnt des Slasherfilms und mit ihnen die Ära für gleich drei seiner profiliertesten und berühmtesten Vertreter. Den Blutreigen eröffnete im ersten, bis heute wichtigsten und am meisten stilbildenden Film des Subgenres der maskierte Killer Michael Myers: In "Halloween" von 1977 etablierte John Carpenter erstmals das Muster des ebenso gesichts- wie seelenlosen Mörders als unsterbliche und unzerstörbare Tötungsmaschine, als ersten Prototypen des "Killer as Cypher"-Prinzips, der ohne Emotionen, ohne Gefühle und trotz vordergründiger psychologischer Begründung letztendlich auch ohne Motivation stur und unaufhaltsam, wie ein Perpetuum Mobile des Tötens, sein blutiges Werk vollbringt. Aus den von menschlichen Motivationen wie Rache oder Angst getriebenen Mördern früherer Filme wurde seit "Halloween" der Killer als Naturgewalt, ein gestaltgewordenes, roboterhaft agierendes Unheil, ein völlig empfindungsloses, allein aus Instinkten handelndes Verhängnis.

Der Erfolg von Michael Myers, dem bis heute kommerziell erfolgreichsten Serienkiller der Filmgeschichte, zog die Epigonen gleich in Scharen nach sich: Neben abgrundtief primitiven Machwerken wie "The Burning" avancierte vor allem Sean S. Cunninghams schundige "Friday the 13th"-Serie zu schmuddelig-kultigen Blut-Ehren. 1980 schickte Cunningham seinen Hockeymasken-Killer zum ersten Mal auf fröhliche Teenie-Hatz, wobei - wie so oft in derartigen Filmchen dieser Ära - spätere prominente Hollywooddarsteller wie der damals gerade einmal 22jährige Kevin Bacon auf möglichst magenumstülpender Weise das Zeitliche zu segnen hatten. Natürlich wissen wir alle spätestens seit "Scream", dass sich hinter den Morden des ersten "Friday" in Wahrheit nicht der später so berühmte Jason selbst, sondern ein reichlich primitiver Whodoneit-Krimi-Plot verbarg, und dass der echte Masken-Schrat erst ab dem zweiten Teil der Serie selbst zu Machete, Axt und Schürhaken griff. Nichtsdestotrotz wurde der im Chrystal Lake ertrunkene, aber seitdem dummerweise unsterbliche Jason Vorhees zu einem der meistbeschäftigtesten Fließbandhäcksler der Filmgeschichte, der es bis 1989 unter dem Franchise "Friday the 13th" auf insgesamt acht mehr oder weniger immer gleich stupide filmische Metzelorgien brachte. Seine letzten beiden Auferstehungen "Jason goes to hell" (1993) und "Jason X" trugen dann konsequenterweise den "Freitag" des Originals nicht mehr im Titel.

Um wie viel anders nahm sich gegenüber den spekulativ-blutrünstigen und stereotyp immergleichen Jason-Filmen der erste Auftritt von Freddy Krueger aus. Anno 1985 ließ Horror-Papst Wes Craven seinen kindermordenden Unhold mit der charismatischen Narbenvisage und den sympathischen vier geschliffenen Messern an der rechten Hand zum ersten Mal auf die alpträumende Teenagergemeinde los. Wie in einem genialen Vorgriff auf sein 11 Jahre später entstandenes Meisterstück "Scream" trieb Craven bereits im ersten "Nightmare" mit den bereits hinlänglich bekannten Versatzstücken und Regelwerken des Genres seinen makaberen Scherz und schuf mit der Premiere des Krallenmanns, der seinen jugendlichen Opfern in deren Alpträumen erscheint um sie zu filetieren, eine furios ironische, wenngleich (vor allem beim ersten Sehen) auch wirklich unerhört verstörende und angsteinflössende Horror-Parodie. Auch hier tummelten sich spätere Weltstars im Angesicht von Freddys Klingen: Johnny Depp, gerade einmal süße 21 Lenze jung, hatte seinen ersten Kinoauftritt in "Nightmare", um darin in eine ästhetisch-formschöne Blutfontäne verwandelt zu werden.

Im Gegensatz zu den schweigenden, mechanischen Mordmaschinen Michael Myers und Jason Vorhees erwies sich Freddy von Anfang an als zynischer Teufelsbraten, den seine markigen Oneliner spätestens seit seinem dritten Auftritt als popkulturelle Ikone des Horrorfilms etablierten und zum glamourösen Showstar unter den Massenmördern avancieren ließen und der mit so viel makaberem Witz und blutiger Phantasie den schlummernd dahinscheidenden Teenagern an die Innereien ging, dass man als Publikum viel lieber dem kultisch verehrten Bösewicht applaudierte, als mit den Opfern mitzubangen. Doch genau wie im Falle Jasons ging auch Freddys Ära mit dem Ende der 80er Jahre zur Neige. Lange lag das Subgenre brach, bis es ausgerechnet von Freddy-Schöpfer Wes Craven anno 1996 mit "Scream", dieser ebenso scharfsinnigen wie parodistischen Analyse der eigenen Genre-Regeln, fulminant wiederbelebt wurde.

Dies wäre mit Sicherheit auch der passendste Zeitpunkt für eine Revitalisierung und gegebenenfalls sogar eine Begegnung der beiden Horror-Giganten gewesen, immerhin firmierten sowohl Freddy als auch Jason seit 1993 unter dem gemeinsamen Dach der New Line Cinema. 2003 ist hingegen als Zeitpunkt für das Gipfeltreffen eindeutig zu spät, schließlich ist der durch "Scream" ausgelöste Neo-Horror-Boom schon längst wieder genauso sanft entschlummert wie seine zahlreichen jugendlich adretten und schönheitsoperierten Opfer.

Regisseur Ronny Yu, der sich in seiner Hongkong-Vergangenheit fast nur im Actionfach betätigte und außer dem schalen Mörderpuppen-Sequel "Bride of Chucky" im Bereich Horror noch nichts Nennenswertes zu Wege brachte, vergab von Vorneherein nicht ein Quentchen auf eine halbwegs zusammenhängende und schlüssige Story. Dem einstmals gefeierten Horror-Star Freddy Krueger ist es im Film so ergangen wie in der Realität auch: Die Teenager der Elm-Street haben ihn längst vergessen und schlafen seit Jahren wieder glücklich und sicher. Dem frustriert in der Hölle vor sich hinmonologisierenden Krallen-Clown fällt darauf nichts Besseres ein, als den ebenfalls in den Tiefen des Fegefeuers schnarchenden Jason Vorhees zu erwecken und ihn vom Chrystal Lake in die Elm-Street zu schicken, um dort vorübergehend seinen Job zu übernehmen. Eigentlich, so die Intention des midlife-kriselnden Freddy, soll Jason nur ein klein wenig Angst und Schrecken verbreiten, um damit dem messerklingenbewehrten König des gestreiften Rollkragenpullis den Weg zum Comeback zu bereiten. Doch wie es so oft auch bei Rockkonzerten mit viel zu guten Vorbands geschieht, die dem Haupt-Act des Abends die Schau stehlen, versieht Chrystal Lakes Macheten-Monolith seine Aufgabe so gründlich, daß Freddy angesichts der sich aufgetürmenden Teenager-Leichenberge darum fürchten muss, überhaupt noch ein paar Eingeweide unter zwanzig abzubekommen.

Damit ist die Ausgangssituation für den Kampf der Giganten gelegt: Folgt die erste Hälfte des Films, in der sich Jason reichlich uninspiriert, aber effektiv durch die Reihen der Springwood'schen Jugend metzelt, noch ganz standardkonform den Konventionen des klassischen Teenie-Slashers, so heißt es spätestens beim Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten: Ready to Rumble! In diesem Moment hat sich das Thema Horror für den Film endgültig erledigt: Stattdessen inszeniert Ronny Yu den Zweikampf der Giganten als großes Monster-Happening im Stile der klassischen "King Kong gegen Godzilla"-Filme. Mit einer Riesenportion kindlichster Freude an möglichst viel Destruktion lässt er den Messer-Maniac und den Macheten-Stoiker aufeinander losgehen, wobei die beiden ungleichen Kontrahenten ganz offenkundig zwei völlig wesensfremde Genres zu repräsentieren haben: Während der tumb-blöde, schwerfällige Jason eindeutig als Abbild städtezertrampelnder japanischer Gummisaurier agiert, vertritt der sehr viel agilere Freddy mit ein paar lockeren Kung-Fu-Einlagen die Hongkong-Vergangenheit von Regisseur Ronny Yu.

Und wenn sich dann das Medium Duett des Teenie-Horrors gegenseitig mit ein paar zufällig herumliegenden Baustellenutensilien malträtiert oder einander meterweit durch die Luft schleudert, wirkt das ganze ungefähr so ernst gemeint wie der gemeinsame Versuch von Daniel Küblböck und Dieter Bohlen, für ihre Memoiren-ähnlichen Schreib-Ejakulate den Literatur-Nobelpreis zu erringen. Daher erscheint es eher befremdlich, mit welchen Hektolitern von Blutfontänen, die rein quantitativ schon fast an Tarantinos "Kill Bill Vol.1" heranreichen, Ronny Yu das Pas-de-deux der beiden Slasher-Rentner garniert. Zwar läuft Monster-Wrestling in perfekt gestylter Video-Clip-Ästhetik und mit atemloser, kinetischer Wucht auf der Leinwand ab, doch ist sein Ausgang ungefähr so spannend wie der Aufdruck einer Tüte pasteurisierter Vollmilch: Wie kann ein Zweikampf schon enden, wenn beide Kontrahenten unsterblich sind?

Und so torkelt "Freddy vs. Jason" leider völlig lust- und orientierungslos zwischen halbgarer Gruselparodie und beinhartem Hardcore-Horror hin und her und gewinnt die reichlich seltenen stimmungsvollen Momente allein aus einigen wehmütigen Erinnerungen an Wes Cravens grandiosen ersten "Nightmare", von dem sich sein untalentierter Hongkong-chinesischer Lehrling jenen ebenso simplen wie schlicht genialen Einfall entlieh, wie man den klingenfingrigen Nachtmahr überwinden kann: Man greife sich den Streifenpullover-Mann einfach im Traum und lasse sich dann wecken, um ihn aus seiner Alptraumwelt der dampfwabernden Heizungskeller in die Realität des 21. Jahrhunderts herüberzuzerren. Keine Spur jedoch von dem feinsinnigen Schrecken und der verstörenden Atmosphäre von Freddys Premiere vor 18 Jahren - wie Fremdkörper wirken die sphärischen, weichgezeichneten Zeitlupen-Szenen mit den seilspringenden kleinen Mädchen, die in "Nightmare" auf so subtil atemabschnürende Weise vom Herannahen des Klingenmannes deuteten.

Fast überflüssig bleibt zu erwähnen, dass die Darstellerriege der zum Abschlachten in Reih und Glied anstehenden Teenager, unter ihnen Destiny's-Child-Quietscheentchen Kelly Rowland, noch untalentierter agiert als der bullige Kane-Hodder-Ersatzmann Ken Kirzinger unter Jasons Hockeymaske. Auch fehlen, was das Wiedersehen mit Freddy und Jason für einen wirklichen Fan erst richtig zum Genuss gemacht hätte, jegliche Cameos und Gaststarauftritte früherer Freddy-Kontrahenten. Veteranen wie Heather Langenkamp oder John Saxon taten jedoch gut daran, sich nicht auch noch für dieses unausgegorene Monster-Konglomerat herzugeben. Allein Robert Shaye, ausführender Produzent früherer "Nightmare"-Streifen, huscht als "Principal Shaye" (wie phantasievoll!) durchs Bild. Das Ende (mit einer zugegebenermaßen stilechten Godzilla-Hommage) bleibt natürlich offen, um beiden Horror-Dinos weitere gemeinsame Filmauftritte zu ermöglichen. Hoffen wir nur, daß keiner der findigen Produzenten auf die Idee kommt, die beiden Metzel-Senioren durch ein Aufeinandertreffen mit John Carpenters Teenie-Schlächter zum Trio Infernale des Altersheim-Horrors zu vervollständigen. "Eins, zwei, drei - Michael Myers kommt vorbei..." - bitte nicht!

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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