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Kino - dafür werden Filme gemacht

The fast and the furious

Gesehen am 02.10.2001 im Residenz Kinocenter Bückeburg (Sneak Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Wir kennen sie alle noch, jene Typen damals in der vierten oder fünften Klasse, die meistens älter, viel größer und vor allem viel stärker waren als man selbst, einen ganzen Tross von Anhängern und Mitläufern hinter sich her durch die Schule schleppten und zu denen man halb ehrfürchtig und halb voller Panik emporschaute. Obwohl man genau wusste, wie gefährlich (und anrüchig) es war, sich mit solcherlei Volk abzugeben (denn man selbst war ja obwohl viel schwächer eigentlich viel gebildeter), fühlte man sich doch irgendwie unweigerlich zu diesen Chef-Prolls hingezogen und versuchte sein möglichstes, von einem dieser Heroen wahrgenommen zu werden und "dazuzugehören". Wenn "The Fast And The Furious", der neue filmische Hochgeschwindigkeitstrip von "Dragonheart"-Regisseur Rob Cohen, überhaupt so etwas wie ein im Gedächtnis haftendes psychologisches Moment besitzt, dann ist es das: Das Hervorholen jener kindlichen Gefühlsmischung aus Stolz und Angst aus den tiefsten Abgründen des Erinnerungsvermögens, das man empfand, wenn man tatsächlich die Aufnahme in den elitären Zirkel einer solchen Anhängerschar schaffte und damit aber auch stets das lebensgefährliche Risiko einging, den Unmut des unbesiegbaren Gangleaders zu erregen.

Denn genau eine solche Anführerfigur ist Dominic Toretto, ungekrönter König der illegalen Straßenrennszene von Los Angeles. Muskelmann Vin Diesel, der nach Nebenrollen unter anderem in "Der Soldat James Ryan" seinen Durchbruch mit dem brachialen, aber hochunterhaltsamen Science-Fiction-Trash "Pitch Black" feierte, ist die Idealbesetzung dieses zwiespältigen Typus: Auf der einen Hälfte knallharter Gangleader und Unterweltfürst, auf der anderen brummiger, aber fürsorglicher und irgendwie sogar gutherziger Familienpatriarch mit Hang zu hehren Idealen. Ihm als konträre Figur stellt Cohen den Undercover-Polizisten Brian gegenüber, der die Streetracer-Gangs infiltrieren und unter ihnen die Verantwortlichen für eine Serie spektakulärer Lkw-Überfälle ermitteln soll.

Das Motiv, sich als Mitläufer in eine kriminelle Vereinigung einzuschleichen, ist beinahe so alt wie die Filmgeschichte und war schon in den unterschiedlichsten darstellerischen Konstellationen zu erleben: Während der tumbe Schlagetot Brian Bozworth in "Stone Cold" viel unsympathischer war als der gnadenlose Rocker-Chef Lance Henriksen und Timothy - James Bond - Dalton gegenüber dem mondänen Robert Davi in "License to kill" leicht hilflos wirkte, boten Keanu Reeves und Patrick Swayze in "Gefährliche Brandung" eines der interessantesten Zusammenspiele dieser Art. "In The Fast And The Furious" trägt allein der charismatische Testosteronbolzen Vin Diesel mit seiner wie immer beeindruckenden physischen Präsenz die Aufgabe, das Rollenspiel von Jäger und Gejagtem mit Leben zu erfüllen, während der blasse und kindliche Milchbubi Paul Walker als Undercover-Ermittler ungefähr so glaubwürdig wirkt wie eine Volkstanzgruppe auf dem Mittelstreifen der Autobahn.

Die Hauptfiguren des Films sind jedoch eindeutig die hochgezüchteten Blechkarossen, die von ihren Fahrern und Konstrukteuren wie Fetische gehätschelt und verehrt werden. Mit ihnen gelingen Cohen faszinierende, geradezu hypnotische Actionszenen, wenn Kamera und Zuschauer die Speed-Racer auf ihrem wahnwitzigen adrenalingetränkten Geschwindigkeitsrausch durch die Häuserschluchten von Los Angeles begleiten. Dass das natürlich unmoralisch, umweltschädlich und hochgradig lebensgefährlich sein mag - geschenkt! Die Rasanz der Rennszenen, die Bruckheimers blasenschwaches "Nur 60 Sekunden" locker hinter sich lassen, machen sogar kurzzeitig all jene albernen und kindischen Beweggründe vergessen, die diese abgedrehten Rennrodler zu ihrem gegenseitigen Schwanzmessen am Steuer treiben.

Auch wenn die Minimalhandlung klaffende logische Löcher aufweist und vor Klischees von der B-Film-Stange nur so strotzt, setzten sich diese Bausteine zu einem sehr unterhaltsamen Ganzen zusammen: Da ist der gutaussehende Held, der sich in die Bande des großen, charismatischen Gegenspielers schleicht, die edle Männerfreundschaft, die zwischen beiden erwächst, das dunkelhaarige Mädchen als Loving Interest (die hier ausnahmsweise einmal nicht die Freundin sondern die Schwester des Anführers ist), das genretypische Ekelpaket der Gang, welches dem Neuankömmling von Anfang an misstraut, und so fort. Natürlich kommt es wie es kommen muss, und der Jungpolizist erliegt der Faszination der illegalen Autorennen wie einst Sachsenherzog Widukind, als er sich inkognito in einen Weihnachtsgottesdienst einschlich und daraufhin zum Christentum konvertierte. Stilistisch ist "The Fast And The Furious" ein Western, mit Postkutschenüberfall per Honda Civic, Verfolgungsjagden und obligatorischem Schlussduell der beiden Antagonisten.

Rob Cohen lässt den Zuschauer einen faszinierenden, aber oberflächlichen Einblick nehmen in die glitzernde, hochgetunte High-Tech-Unterwelt der illegalen Straßenrennen an der amerikanischen Westküste. Allein optische Eindrücke zählen, und die vermitteln einen durchaus veritablen Eindruck jener tiefergelegten, PS-strotzenden, benzindampfenden und von vorn bis hinten verspoilerten Machowelt, in der Oktanzahlen Potenz bedeuten, Frauen nur leichtverhüllte Trophäen für gefahren Zeiten und Einspritzsysteme Statussymbole sind, in der der Griff zum Schalthebel das Ziehen des Colts ersetzt und die Tachonadel das Schwarze im Auge des Gegners.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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