Ein reichlich desolater Ruf eilt "Crime is King", im Originaltitel viel treffender "3000 Miles to Graceland" geheißen, aus den Vereinigten Staaten voraus, immerhin schaffte es Lichtensteins filmischer Erstversuch auf gleich fünf Nominierungen bei den diesjährigen Razzie Awards, den von ihren Gewinnern so unerwünschten Goldenen Himbeeren (von denen der Film jedoch keine errang). Vielleicht vermag der äußerst lieblose Umgang mit der sakrosankten Nationalreliquie Elvis ein wenig zu der Nominierungsflut beigetragen haben. Allerdings: In der Sparte "Worst Screenplay" wäre sogar der Gewinn des berühmt-berüchtigten Plastik-Obstes mehr als gerechtfertigt gewesen.
Denn Elvis, so will es das Drehbuch, ist möglicherweise unehelicher Erzeuger von Thomas Murphy, einem mittelschwer durchgeknallten, schwer soziopathischen Gewalttäters mit schillernder Knacki-Vergangenheit und einer offenkundig hochgradig ausgeprägten dissozialen Persönlichkeitsstörung. Wir alle ahnten es, und die Illustrierten schrieben es ja zur Genüge, Elvis Presley habe in seinen letzten Jahren in Folge massiven Medikamentenmissbrauches zunehmend psychotische Züge an den Tag gelegt. Sollte er jedoch wirklich der Ahnherr von Thomas Murphy gewesen sein - was das Drehbuch offen lässt - so müssen die Erbanlagen des King aus Memphis doch wesentlich stärker beschädigt gewesen sein als jeder noch so gewitzte Humanbiologe hätte ahnen können.
Was dann folgt, ist ein recht vielfältiger, aber nicht sonderlich inspirierter und schon gar nicht von großem Eigeneinfallsreichtum geprägter Gemischtwarenladen aus allem, was das Thriller-, Gangster- und Roadmovie-Genre der letzten Jahre im Sonderangebot zu verramschen hat. Natürlich ist man sich nach dem kugelbedingten Ausfall eines Mittäters uneinig über die Aufteilung von dessen Beuteanteil, selbstverständlich hat Obermotz Costner in Wahrheit vor, die Scheine ganz allein für sich zu behalten, and of course durchschaut Kurt Russel als der noch am ehesten integre Hotzenplotz-Anwärter die Hintergedanken seines Anführers rechtzeitig, um sich a) vor dessen Kugeln und b) gleich danach mit der gesamten Beute sowie der leicht verblühten Kellnerin Cybil (Courtney Cox) und ihrem schwer kleptoman veranlagten aber ansonsten schrecklich altklugen (das ist in amerikanischen Filmen bei alleinerziehenden Müttern wohl immer so, siehe John Connor) Sohn aus dem Staub zu machen. Ab geht's auf einsamen Highways und in zumeist gestohlenen Karossen ins ferne, gelobte Land der gestohlenen Dollarscheine, hinter sich eine Truppe bedepperter FBI-Ermittler und örtlicher Polizeikräfte sowie den immer öfter missgelaunten und seinen großkalibrigen Frust an unbeteiligten Passanten auslassenden Murphy.
Kurt Russell variiert in der Rolle des guten Bad Boy nur submikroskopisch seinen Klischeetypus als Rauhbein mit großem Herzen. Den radikalsten Charakterschwenk muß man Kevin Costner bescheinigen: Vor Jahren noch Megastar mit der Attitüde des moralischen Überhelden, der Al Capone zur Strecke brachte, mit dem Wolf tanzte, Lady Marian befreite, Whitney Houston beschützte und den Mord an John F. Kennedy untersuchte, geriet der heute 47jährige nach seinem kommerziellen Reinfall "Waterworld" immer weiter aufs Abstellgleis des Dauer-Karrieretiefs. Insbesondere das filmische Narkotikum "For love of the game" zeigte ihn darstellerisch auf dem Tiefpunkt, und auch Roger Donaldsons hochambitionierte Politthriller "Thirteen Days" vermochte wenig am Stigma des Kassengifts zu ändern, das Herr Costner inzwischen auf der Stirn trägt. So ist es wenigstens konsequent, dass das ehemalige personifizierte Gewissen Amerikas gar nicht erst versucht, ausgelaugte Rollenklischees zu exhumieren, sondern stattdessen völlig auf Destruktivität und Bösartigkeit umsattelt und seinen psychotischen Gewaltverbrecher Thomas Murphy derart übertriebenen in Positur bringt, als wollte er seinen Kritikern hohnlachend entgegenhalten: Seht her, ich bin wirklich der Kotzbrocken, für den ihr mich sowieso immer schon gehalten habt. "Scream"-Star Courtney Cox bleibt in ihrer Rolle kaum mehr als der Part der ansehnlichen und zugleich mütterlichen weiblichen Staffage, und alle übrigen Darsteller, darunter so klangvolle Namen wie Christian Slater, David Arquette (Courtney Loving-Interest aus "Scream") und Rapper Ice-T haben kaum mehr zu tun, als im wildesten Kampfgetümmel möglichst akurat menschlicher Kugelfang zu spielen. Den blamabelsten Schwachpunkt des Films bildet eindeutig das Drehbuch. Richard Reccos Screenplay wirkt in jeder Minute derartig undurchdacht, und zwischen unlogisch bis haarsträubend hirnrissig pendelnd, dass es wirklich einer außerordentlich hohen Toleranzschwelle bedarf, um dieser Ansammlung logischer Unzulänglichkeiten und unfreiwilliger Lachnummern halbwegs wohlgesonnen zu bleiben. Wenn sich Courtney Cox in einer Szene mit den geklauten Moneten davonmacht und dabei ganz nebenbei ihren Sohn in den Händen eines ihr prinzipiell völlig unbekannten Gewaltverbrechers zurücklässt, dann ist dies trotz eines völlig missratenen späteren Erklärungsversuchs nur trauriger Tiefpunkt. Am Ende sind die meisten der handelnden Personen krepiert, Geld und Überlebende von der Bildfläche verschwunden und der Fall von der amerikanischen Bundespolizei zu den Akten gelegt. Elvis has left the building. Und die meisten Zuschauer vermutlich fluchtartig das Kino. |
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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.