Gealterte Actionhelden haben es dieser Tage schwer. Je größer der
einstige Ruhm, desto tiefer auch die Fallhöhe, die ein Karrieresturz
bewirken kann. Auch Arnold Schwarzenegger, einst höchstdotierte Aktie an
der Hollywood'schen Action-Börse, bekommt dies nach filmischen Flops,
Herzoperation und Karriereloch Ende der 90er Jahre bitterlich zu spüren.
Da schien es zunächst, als habe er sich mit der (für seine Fähigkeiten)
ungewöhnlich fragilen Darstellung in Peter Hyams Endzeitthriller "End of
days" am eigenen Schopf wenigstens halbwegs aus dem Karrieretief
gezogen. Doch schon das Nachfolgewerk "The 6th day", ein mehr als
halbherziger Reanimierungsversuch der Total-Recall-Masche, geriet viel
zu glatt, zu gefällig und zu konturlos, um die Fans von einem wirklichen
Comeback zu überzeugen. Auch Schwarzeneggers neuer Film "Collateral
Damage" zeigt in Sachen Karriereschubkraft klar rückläufige Tendenzen.
Dabei ist die völlig ungeplante (und auch unvorhersehbare) Affinität der
Filmhandlung zu den tatsächlichen Ereignis des WTC-Attentats keinesfalls
das größte Handicap.
Nachdem Arnold Schwarzenegger zuletzt in einem Streifen über das Klonen
zu sehen war, ist sein neuer Film an sich ein Klon, der fast ausnahmslos
Versatzstücke früherer Erfolge des Österreichers durch den
Recycling-Schredder dreht und in die Waagschule um die Publikumsgunst
wirft. Die Geschichte vom Feuerwehrmann Gordon Brewer, der durch ein
Bombenattentat Frau und Kind verliert, variiert nur unwesentlich die
Ausgangssituation des New Yorker Polizisten Jericho Crane, der in "End
of Days" die Welt vor dem Antichristen bewahren musste. Da die Regierung
nichts Greifbares unternimmt, muß der tapfere kleine Feuerwehrdrache
Grisu selbst ins Herz der Finsternis im kolumbianischen Dschungel, um
dem dorthin entfleuchten Attentäter ganz im Stile der guten alten 80er
persönlich heimzuleuchten, genauso wie damals, als er sich als Dutch
Schaefer und als Colonel John Matrix durch diverseste Regenwälder schoss
und prügelte.
Doch nicht nur Arnold Schwarzeneggers Karriere zeigt
Verschleißerscheinungen, die eines zweiten noch mehr: Andrew Davis.
Ausgerechnet diesem versierten Action-Spezialisten, der 1993 mit "The
Fugitive" einen der besten Thriller der 90er Jahre drehte, mit "Nico"
und "Under Siege" zweimal Null-Darsteller Steven Seagal einen
ansprechenden Reißer verpasste und sogar mit einem erzreaktionären
Krawallkopf wie Chuck Norris 1985 in "Code of Silence" einen sehr
formidablen Krimi fabrizierte, geraten hier alle früher gezeigten
Fähigkeiten aus der Hand. Speziell "Nico" und "Code of Silence"
zeichneten sich durch (für einen Actionfilm) durchaus raffiniert zu
nennende Konstruktion von Frontlinien, durch häufiges Wechseln von
Freund und Feind und ungewöhnlich verschachtelte Subplots aus. Das
versucht Davis ohne Zweifel in "Collateral Damage" auch, doch die dazu
angelegte Figur des zwiespältigen CIA-Agenten Peter Brandt (Elias
Koteas) gerät derart durchschaubar und noch dazu logisch löcherig, dass
er als träge Masse den ohnehin spannungsarmen und vorhersehbaren Plot
vollends zu Boden drückt. Förmlich verheizt werden die beiden
Charakterdarsteller John Leguizamo und John Turturro.
Davis' filmische Rückbesinnung auf die 80er Jahre und das
Schwarzeneggersche Prinzip der Ein-Mann-Armee gegen den Rest der Welt
fehlt es an jeglicher Durchschlagskraft. Es sind nicht nur mangelnde
Spannung, die klaffenden Logik-Löcher des Drehbuchs und das
gelangweilte, unterdurchschnittliche Spiel der Nebendarsteller, die den
Film im Treibsand der Belanglosigkeit versinken lassen. Solches hat man
auch früheren (und trotzdem wesentlich unterhaltsameren)
Schwarzenegger-Streifen attestieren können und müssen. Es ist auch das
Fehlen jenes absolut Schwarzenegger-typischen, abgrundtief zynischen und
gerade darum für den Österreicher so markanten Humors. Schwarzenegger
ist nicht nur zwanzig Jahre älter geworden, sondern eben auch seriöser
und damit schlicht langweiliger. Im Zeitalter der zelluloid-gewordenen
Political Correctness kann er nicht mehr seinem Gegner im Final Showdown
ein gusseisernes Rohr durch den Brustkorb stoßen, ihn damit an eine
Gasleitung nageln und sich dann von dem Hochdruck-Perforierten mit dem
knochentrockenen Oneliner verabschieden: "Lass mal Dampf ab." Oder einen
Gangster in einem Flugzeug das Genick brechen und einem Mitpassagier auf
den Weg geben: "Bitte stören Sie meinen Freund nicht. Er ist todmüde."
Während sich Schöngeister damals entsetzt abwandten, war es für die
breite Masse der Fans Kult, so hart und so kaltschnäuzig wie Arnold zu
sein. Das Prinzip Arnold bedeutete: Kampf bis auf die Knochen, Feuer aus
allen Rohren und dazwischen ein trockener Oneliner. Der Krieg war die
Regel, der Waffenstillstand der Ausnahmefall. Zum letzten Mal hat der
Österreicher 1996 in dem vielfach zu Unrecht geschmähten "Eraser" so
einen harten Hund gespielt - es war ein Schwanengesang.
Heute sind Schwarzenegger-Filmfiguren biedere Durchschnittstypen,
Hubschrauber-Piloten wie in "The 6th Day" oder Feuerwehrmänner wie in
"Collateral Damage", dazu noch brave, liebende Familienväter, die nur,
weil sie zum Äußersten getrieben wurden, über sich hinauswachsen. Und
hier beginnen jene darstellerischen Gefilde, in denen ein Arnold
Schwarzenegger eben trotz aller innigen Bemühungen weder besonders
glaubhaft noch sonderlich interessant wirkt. Schwarzenegger will nicht
mehr imponieren, er will gefallen - es kann nicht funktionieren. Noch
dazu fehlen in "Collateral Damage" all jene selbstreferenziellen Witze,
die vor allem "Last Action Hero" und "True Lies" so unterhaltsam
machten.
Mit Arnold Schwarzenegger verhält es sich ähnlich wie mit Sharon Stone:
Es schmeichelt ihm die Gnade der unwidersprochenen Behauptung. Von
Sharon Stone geht die Legende, sie sei mit einem geradezu überirdischen
Intelligenzquotienten gesegnet, und von Arnold behaupten auch heute noch
einige, er sei ein guter Actiondarsteller. Das mag in den 80ern gegolten
haben, als sein fortwährender Kampf mit der Schauspielkunst ihn geradezu
prädestinierte, die Rolle eines todbringenden Androiden und einige Jahre
später dessen etwas gutartigeres Nachfolgemodell zu spielen. Oder einen
Dschungelkämpfer, dem es nur durch Maskerade aller menschlichen
Eigenschaften gelingt, ein außerirdisches Monstrum zu überwinden um
diesem im Todeskampf zu attestieren: "You're one ugly motherfucker!"
Schwarzenegger war auf plausibel unwirkliche Art authentisch. Doch wir
leben inzwischen im 21.Jahrhundert, und modernen Action-Darsteller wird
inzwischen ebenfalls ein Minimum mimischer Überzeugungskraft abgefordert
Was bleibt von "Collateral Damage"? Die Einsicht, weder einen guten
Andrew-Davis- noch einen guten Schwarzenegger-Film gesehen zu haben. Und
unser aller Arnold? Er avanciert damit auch als Schauspieler zu dem, was
er in "Collateral Damage" bereits als Filmfigur ist: Ein großer,
unendlich trauriger Hüne, dem inzwischen jegliche Attitüde des
martialischen Actionhelden abgeht und den man eigentlich nur noch
tröstend in den Arm nehmen möchte.
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