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Kino - dafür werden Filme gemacht

Born 2 Die

Gesehen am 17.04.2003 im Residenz Kinocenter Bückeburg (Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Der Exodus erfolgreicher Hongkong-chinesischer Regisseure und Filmschauspieler aus der 1997 von China übernommenen ehemaligen britischen Kolonie führte zu einer bislang noch nie da gewesenen symbiotischen Verschmelzung des bis dato rein chinesisch geprägten, ansonsten kulturell abgeschotteten Hongkong-Kinos mit dem Actionfilm westlicher Prägung. Allerdings klafft in der Entwicklung von Regisseuren und Darstellern aus dem ehemaligen Action-Dorado hinsichtlich ihrer Karriere im Westen eine auffällige Disparität: Während sich viele Regisseure wie Tsui Hark, Ringo Lam oder John Woo mit nutzlosen Jean-Claude-van-Damme-Vehikeln erste Sporen zu verdienen suchten und anschließend ihr einstiges Können vielfach - wie zuletzt Maestro Woo im unsäglichen "Windtalkers" - zugunsten westlich-geprägter Massenkompatibilität aufgaben, verliehen Hongkongs Leinwandstars dem amerikanischen Action-Kino ganz neue Dynamik.

So revitalisierte Jackie Chan mit "Rush Hour" sowohl seine Karriere als auch das Prinzip des Buddy-Movies, stahl Michelle Yeoh im 007-Opus "Der Morgen stirbt nie" dem gelackten Pierce Brosnan die Schau und verhalf Jet Li dem vierten Teil von "Lethal Weapon" zu den mit Abstand aufregendsten Kampfszenen der Serie. Lis akrobatische Künste inspirierten nicht zuletzt die Gebüder Wachowski zu ihrer Cyber-Oper "Matrix", der bislang erfolgreichsten Verschmelzung westlicher Action-Elemente mit dem inzwischen schwer angesagten Chic des Hongkong-Kinos.

In "Romeo must die" verwandte anno 2000 der polnisch-stämmige Regisseur Andrzej Bartkowiak das Shakespeare'sche Motiv von Romeo und Julia zu einer inhaltlich zwar reichlich dünnen, optisch und stilistisch aber rasant inszenierten Melange aus Martial-Arts-Kino und schwarzer Rap- und Hiphop-Kultur. Jet Li übernahm dabei als geflüchteter Sträfling eine entscheidende Rolle im blutigen Krieg zweier verfeindeter Clans - eines schwarzen und eines chinesischen - in Oakland, den Part der Prinzessin der Gegenseite die kurz danach so tragisch ums Leben gekommene Soulsängerin Aaliyah. Nur geringfügig variierte Bartkowiak diese Idee der Genre-Durchmischung in seinem nächsten Output "Exit Wounds": An Stelle des chinesischen Hauptdarstellers Jet Li trat nun mit Steven Seagal ein reichlich abgehalfterter amerikanischer Martial-Arts-Darsteller, ansonsten blieben Crew und weite Teile der Konzeption gleich.

Konnte man 2000 "Romeo must die" noch als Genre-Novum aus chinesischer Martial-Arts und amerikanischem Hiphop bezeichnen, so muss man spätestens seit "Exit Wounds" vom typischen Bartkowiak-Stil sprechen. Dem bleibt der ehemalige Lumet-Kameramann, der nach dem Kevin-Costner-Vehikel "Thirteen Days" auf den Regiestuhl wechselte, auch mit seiner dritten Inszenierung treu: "Cradle 2 The Grave", der in Deutschland unter dem Titel "Born to die" firmiert, wirkt noch stärker als "Exit Wounds" wie eine originalgetreue Kopie von Bartkowiaks Regieerstling "Romeo must die": Wieder spielt Jet Li (neben einem schwarzen Darsteller) die Hauptrolle, wieder ist die Riege der Nebendarsteller quasi en bloc übernommen, und wieder müssen sich inhaltlich zwei gegensätzliche Charaktere zusammenraufen, um in der Auseinandersetzung zweier ethnisch unterschiedlich zusammengesetzter Gangsterorganisationen zu überleben.

Jet Li braucht sich als taiwanesischer Geheimagent Su Duncan, der in Amerika den Diebstahl einer Sammlung außerordentlich wertvoller Edelsteine zu verhindern sucht, mimisch noch weniger ins Zeug zu legen als noch drei Jahre zuvor als chinesischer Romeo. Beinahe so stoisch und unrührbar wie der Nullmime Steven Seagal manövriert er rippenbrechend und handgelenkeauskugelnd durchs martialische Geschehen. Während jedoch der inzwischen arg beleibte Seagal in "Exit Wounds" die gravitätische Eleganz einer Waggonladung Bleiplatten ausstrahlte, gleitet Jet Li nach wie vor nahezu schwerelos pflügen- und harkenderweise durch die Heerscharen aussichtslos unterlegender Sparringspartner.

Visuell verzichtet Andrej Bartkowiak auf überflüssige, verfremdende Mätzchen wie überzogene Drahtseileffekte oder Röntgenbilder brechender Wirbelsäulen wie in "Romeo must die" und inszeniert seine dritte Regiearbeit stattdessen als Nonstop-Action-Parforceritt mit den für das Genre handelsüblichen Zutaten aus Schießereien, Verfolgungsjagden und peitschenschnellen Kickboxereien. Dafür geht ihm diesmal leider noch mehr das erzählerische Geschick ab: Besaß "Romeo must die" zumindestens noch im Ansatz die düstere Dimension eines shakesspear'schen Dramas vom Lieben und Sterben im Triadenmilieu und "Exit wounds" den konventionellen, aber doch soliden Habitus eines Buddy-Movies im Gewand eines durchschnittlichen Drogen-Thrillers, so bleiben diesmal sämtliche inhaltlichen Möglichkeiten auf der Strecke. Nicht für einen Cent wird das Potential des Genre-üblichen Buddy-Motivs durch die Partnerschaft des taiwanesischen Geheimagenten Su (Jet Li) und des amerikanischen Gelegenheits-Safeknackers Tony Fait (DMX) ausgespielt. "Wir können uns helfen", ist Jet Lis monoton vorgetragenes Statement. Gesagt, getan, Vorschlag angenommen, und fortan wird eben nicht mehr aufeinander gekloppt, sondern miteinander auf die zahllosen Bösewichter der Gegenseite. Handlung? Fehlanzeige. Die Jagd nach ein paar sinistren Edelsteinen, denen urplötzlich geradezu weltbedrohliche Bedeutung zukommt, und die Suche nach Faits entführter Tochter ist ein so dürftiges Konstrukt, um daran eine Action-Sequenz nach der anderen aufzureihen, dass selbst "Exit Wounds" dagegen wie ein literarisches Schwergewicht wirkt.

Auch darstellerisch bleibt "Cradle 2 The Grave" hinter den gesetzten Erwartungen zurück. Insbesondere von Jet Li, gerade erst in Zhang Yimous Oscar-gekröntem "Hero" zu sehen, wäre mimisch wesentlich mehr zu erwarten gewesen, hätte das bindfadendürre Drehbuch ihm dazu die Gelegenheit gegeben. Der einzige Darsteller, der wenigstens ansatzweise so etwas wie charismatische Ausstrahlung entwickelt, ist Rapper DMX, der sich damit endgültig für weitere Leinwandauftritte qualifiziert haben dürfte. Kelly Hu, die berückende Wahrsagerin aus Chuck Russells amüsantem "Scorpion King", bleibt als eiskalte Gangsterbraut ebenso farb- wie eindruckslos wie Gabrielle Union als mütterlich kämpfende Tigerin der guten Seite. Die größte Enttäuschung bildet jedoch mit Abstand Marc Dacascos: Der Hawaiische Martial-Arts-Star, einst als tränenumflorter Yakuza-Killer in Christophe Gans hypnotisch-betörendem "Crying Freeman" und jüngst als kickboxender Indianer im vom gleichen Regisseur gedrehten "Pakt der Wölfe" zu sehen, gibt den taiwanesischen Gangster Ling statt als dämonischen, übermächtigen Gegenspieler als nervösen, gestylten und ganz und gar nicht bedrohlich wirkenden Dressman, der der monolithischen Kampfmaschine Jet Li kaum etwas entgegenzusetzen hat.

Allein die Kämpfe und Stunteinlagen bilden die sehenswerten Anteile in Andrzej Bartkowiaks Juwelenjagd. Angefangen von einem schnittig inszenierten Tresorbruch inklusive Tete-a-tete vom Komiknudel Anthony Anderson mit einem schwulen Wachmann und einer wirklich hübschen Klettereinlage Jet Lis à im Stil von MI-2 reiht "Cradle 2 The Grave" Schießerei, Verfolgungsjagd und Kung-Fu-Duelle in atemlosem Staccato aneinander, was dem mit hämmernden Hiphop- und Metal-Sore unterlegten Film die Wirkung eines durchgestylten Videoclips verleiht.

Während DMX sich bei einer atemberaubenden Verfolgsfahrt über Straßen, Dächer und durch komplette Gebäude verausgaben darf, finden Jet Lis elegant fotografierte Kampfsequenzen ihren artistischen Höhepunkt in einem skurrilen Cage-Fight, mit dem Bartkowiak dem drittklassigen Martial-Arts-Trash der 80er und frühen 90er die Ehre erweist. Im flammenden und mit großkalibrigen Projektilen durchsetzten Finale dürfen dann die beiden Kung-Fu-Giganten Jet Li und Marc Dacascos zum furios choreographierten Gipfeltreffen des peitschenschnellen Handkantenschlags gegeneinander antreten. Schade nur, dass sich Andrzej Bartkowiaks Kreativität auf solche Momente beschränkt.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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