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Kino - dafür werden Filme gemacht

Blade II

"Residenz" Bückeburg (01.05.2002)

Kritik von Johannes Pietsch

Blut ist ein gutes Bindemittel für Design-Kino, trendy overstyled. 1998 fügte Stephen Norrington der Riege dunkler urbaner Ritter eine weitere Figur hinzu: Superheld Blade, halb Mensch und halb Vampir, entfesselte in seinem ersten Kinoauftritt ein hyperstilisiertes Spektakel aus Horror, Martial-Arts und Highspeed-Action im blutroten Gewand eines explosiven, aber sehr ästhetisch bebilderten Krawall-Comics. Die Hollywood'sche Kommerz-Arithmetik machte eine Fortsetzung unvermeidlich, und so wurde der Daywalker in "Blade 2" ein zweites Mal in die Schlacht zur Rettung der Menschheit geschickt. Leider erfüllt das Sequel auch Paragraph zwei des Grundgesetzes beinahe aller Fortsetzungen: "Blade 2" enttäuscht gegenüber dem Erstling in fast allen Disziplinen.

Daywalker Blade, der seine Karriere als Marvel-Comicfigur in den 70er Jahren begann, ist ein Bruder im Geiste von Batman, ein ruheloser Geist in gestähltem Körper, der als Jäger und Scharfrichter von eigenen Gnaden die Dämonen seiner Kindheit jagt. Ausgestattet mit einem futuristischen Waffenarsenal und enormen physischen Kräften hetzt und tötet er Vampire, die als netzwerkartig strukturierte Subkultur längst die menschliche Gesellschaft unterwandert haben und mit dieser zwecks beiderseitiger Arterhaltung in einer Art dynamischem Waffenstillstand leben. Mit den literarischen Figuren des gotischen Horrors, der die Vampire als geisterhafte Widergänger stilisiert und an dem sich beispielsweise die Vampirromane Anne Rice' und deren Verfilmungen noch recht dicht orientieren, haben die Blutsauger in "Blade" nicht mehr viel gemein: Sie sind vielmehr eine eigene Rasse, die in der biologischen Nahrungskette über dem Menschen stehen, Vampirismus überträgt sich wie eine Viruserkrankung, und die Reißzahnträger sind wie die ehrenwerte Gesellschaft organisiert, wobei sie nicht wenige menschliche Helfer in ihren Reihen wissen. Ihre Köpfe leiten die Geschicke beider Völker wie ein UN-Sicherheitsrat - wir erinnern uns an den wunderbaren Udo Kier als dessen Ratsvorsitzenden Dragonetti.

Blade, ausgestattet mit den Stärken beider Rassen, jagt wie Batman jene Geschöpfe, die einst für den Tod seiner Mutter und seine eigene (unvollständige) Vampirwerdung verantwortlich waren. Die Marvel-Figur dürfte damit Pate gestanden haben für all jene mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Protagonisten, die die einst so ehrfurchtgebietende Gattung Vampir heute zu bloßem Kanonenfutter für schnelle Fäuste und Holzpflöcke degradieren - die Linie führt bis zu zeitgenössischen TV-Seriengestalten wie "Vampir-Slayer" Buffy und ihrem dunklen Alter Ego Angel - übrigens auch ein Vampir mit menschlichen Eigenschaften, der sich auf die Seite des Guten schlug.

Im ersten Kinofilm musste sich Blade, diese urbane, afro-amerikanische Van-Helsing-Variante, gegen niemanden Geringeren als einen ausgewachsenen Vampirgott durchsetzen, der - hätte er sich und seinen Hofstaat etablieren können - sicherlich der Gattung Homo Sapiens den Garaus gemacht hätte (was in sich fürchterlich unlogisch war, denn von wessen Blut hätte er sich denn dann ernähren können?). Schon da schalten Regisseur Guillermo del Toro und Drehbuchautor David Goyer, der auch das Skript zum sehr gelungenen Teil eins verfasste, in der zweiten Auflage einen Gang niedriger und greifen auf ein Uralt-Motiv zahlloser Western-, Action- und Martial-Arts-Filme zurück: Die Kooperation zweier verfeindeter Parteien unter dem Eindruck einer dritten, noch viel größeren Bedrohung.

Diese geht von den Reapern aus, einem neuartigen Typus von Supervampiren, die genauso Menschen zum Frühstück vertilgen wie ihre vampirischen Artgenossen zur Kaffee- , Verzeihung, Blutpause, und die sich seit ihrem ersten Auftreten dummerweise stärker vermehren als viagra-gedopte Kaninchen. Blade und sein (natürlich auf völlig unlogische Weise) wieder auferstandener Mentor und väterlicher Freund Whistler lassen sich darauf ein, gemeinsam mit einer vampirischen Task-Force-Einheit Jagd auf die Reaper zu machen, und nach einer ersten mörderischen Schlacht sind wir auf einmal nicht mehr im Vampirfilm, sondern - huch! - bei "Aliens" gelandet. Mit der Kreation der Reaper, die anatomisch eine nicht zu übersehende Affinität zu den Giger'schen Monsterkreationen - speziell aus Jean-Pierre Jeunets "Alien - Resurrection" - zeigen, und dem "Blood-Pack" als illegitime Nachfahren der Marines-Einheit aus Camerons "Aliens" treibt David Goyer das wüste Genre-Crossover eine Stufe weiter - nur leider in die völlig falsche Richtung. Norringtons Mix aus Horror und Matrix-gestylter Hochglanz-Action fügte sich hervorragend zu einer stimmigen Comic-Melange inklusive Blutgott-Mythen und Schwertkampfakrobatik - kickboxende Alien-Monster sind dagegen schlicht und einfach lächerlich. Auch sonst will sich Goyers Plot von Vorn bis Hinten nicht zu einem roten Faden finden: Alle Motive, die in Teil eins passten und stimmten, wirken hier aus dem Zusammenhang gerissen, fragmentarisch aneinandergereiht und lieblos verhackstückt, die neuen Storyelementen zudem teilweise idiotisch überzogen, konstruiert und widersinnig.

Das Elend beginnt mit Kampf in der Nobel-Disco der Vampire: Was in Teil eins als ultraelegantes Schwert- und Kung-Fu-Ballett den furiosen Auftakt bildete, wird hier zu einer enervierend ausgewalzten, hypertrophen und ermüdenden Metzelorgie zwischen Reapern und Vampiren vor gleicher Kulisse. Die folgende Storyline, Blades Jagd nach dem Verursacher der Supervampir-Infektion, verquickt mit dem albernen Versuch eines Shakespeare'schen Königsdramas um Kabale und Liebe in der Sippe eines Vampirherrschers und verbrämt mit ein bisschen modischer Gentechnik- und Seuchen-Paranoia, bildet nur notdürftig den Kit für die stereotype Aneinanderreihung monotoner Vampirmetzeleien, die trotz des Einsatzes noch phantasievollerer Waffen, noch aufwendigerer Martial-Arts-Einlagen und diverser State-of-the-art Effekte nicht ein Stück weit Adrenalin anzuheizen und aufzupeitschen vermögen. Was in Teil eins elegant und artistisch war, wirkt hier aufgesetzt, overdosed und überzeichnet, woran auch der wunderbare Donnie Yen, ebenso begnadeter Kampf-Coreograph wie Kung-Fu-Darsteller, nichts zu retten vermag. Der Zeitlupenflug der Pistolenkugeln, berühmt geworden durch "Matrix" - hier wirkt er ebenso vorhersehbar wie deplaziert. Und geradezu armselig kommen die von zweitklassigen CGI-Effelten aufgepeppten Wrestling-Einlagen daher, welche das im Gegensatz zum Vorgänger viel zu bierernst inszenierte Vampire-Verprügeln der unfreiwilligen Lächerlichkeit preisgeben - ganz so, als habe niemand aus "Romeo must die" gelernt.

Den Darstellern dieses äußerlich blutreichen, inhaltlich aber umso blutärmeren Vampir-Alien-Konglomerats kann kaum ein Vorwurf gemacht werden, so wenig Chancen haben sie, gegen Goyers unausgegorenes Drehbuch anzuspielen. Wesley Snipes und Kris Kristofferson füllen ihren Part als dynamisches Duo der handfesten Sorte, Marke Kernbeißer, den Umständen entsprechend gut. Snipes gibt die monolithische Kampfmaschine Blade so wortkarg, unnahbar, stoisch und gravitätisch, wie man es von ihm erwarten darf. Kristofferson darf den Part des kampferprobten Sidekicks bisweilen sogar etwas extrovertierter ausfüllen als noch vor vier Jahren, schließlich muß sich der lange totgeglaubte Gefährte erst wieder als unverzichtbarer Helfer des Helden etablieren.Hle

Charakterkopf Ron Perlmann, der einst in "Der Name der Rose" so wunderbar den in zig Sprachen kauderwelschenden Mönch Salvatore gab, entgeht hier seinem Schicksal nicht, als den Regeln des Genres unterworfener Bad Guy mit der Lizenz zum hässlichen Deutschen verheizt zu werden. Als Vorzeige-Frauchen hat die äußerlich adrette, aber ansonsten völlig farblose Leonor Varella der toughen N'Bushe Wright aus Teil eins nichts entgegenzusetzen. Standard-Bösewicht Thomas Kretschmann ist als Obervampir im Nosferato-Look viel zu sehr den Fesseln der Klischee-Konventionen verfangen, um halbwegs zu überzeugen. Am schmerzlichsten vermisst der Zuschauer einen Gegenspieler vom Format des unglaublich charismatischen Stephen Dorff, der im ersten "Blade" den faszinierenden Neo-Grunge-Vampir Deacon Frost gab. An seine Stelle tritt als Ober-Reaper Nomak ausgerechnet Luke Goss, der in 80ern als eine Hälfte des Bubblegum-Boygroup-Duos Bros reüssierte - mit der Gnade der frühen Geburt Ausgestattete werden sich an "When will I will I be famous" erinnern.

So schleppt sich "Blade 2" von einem Vampir-Overkill zum Nächsten, und spätestens nach der dritten Massenabschlachtung von Reapern wird deutlich, dass uns Guillermo del Toro und David Goyer bei leicht geänderter Ausgangsposition die gleiche abgedroschene Story wie in Teil eins, nur zweimal wiedergekäut, dreimal aprilfrisch gewaschen und einmal kräftig in abgründig-bizarre, schmutzig-düstere Settings der Marke del Toro getaucht, vorsetzen: Der drohend Weltuntergang, der wieder nur von dem gestählten Trizeps des Daywalkers aufgehalten werden kann, nachdem dieser im Final Showdown zunächst rituell geopfert und anschließend auf wundersame Weise wieder ins Halbuntoten-Leben zurückgeholt wurde, um mit der vollen Wucht maskuliner Entrüstung gegen seine Peiniger zurückzuschlagen. Vorhersehbar war das zwar auch in Teil eins, dort aber noch wirklich rasant inszeniert und damit um ein Vielfaches sehenswerter als im zweiten Aufguss. Hoffen wir, dass Whistler bis zum dritten Teil neben seiner Arbeit als Hildebrandt'scher Waffenmeister und Teilzeitpharmazeut für Halbvampire ein tonisches Serum für "Blade"-Drehbuchautoren entwickelt - verdient hätte es der Daywalker auf jeden Fall!

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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