Blut ist ein gutes Bindemittel für Design-Kino, trendy overstyled. 1998
fügte Stephen Norrington der Riege dunkler urbaner Ritter eine weitere
Figur hinzu: Superheld Blade, halb Mensch und halb Vampir, entfesselte
in seinem ersten Kinoauftritt ein hyperstilisiertes Spektakel aus
Horror, Martial-Arts und Highspeed-Action im blutroten Gewand eines
explosiven, aber sehr ästhetisch bebilderten Krawall-Comics. Die
Hollywood'sche Kommerz-Arithmetik machte eine Fortsetzung unvermeidlich,
und so wurde der Daywalker in "Blade 2" ein zweites Mal in die Schlacht
zur Rettung der Menschheit geschickt. Leider erfüllt das Sequel auch
Paragraph zwei des Grundgesetzes beinahe aller Fortsetzungen: "Blade 2"
enttäuscht gegenüber dem Erstling in fast allen Disziplinen.
Daywalker Blade, der seine Karriere als Marvel-Comicfigur in den 70er
Jahren begann, ist ein Bruder im Geiste von Batman, ein ruheloser Geist
in gestähltem Körper, der als Jäger und Scharfrichter von eigenen Gnaden
die Dämonen seiner Kindheit jagt. Ausgestattet mit einem futuristischen
Waffenarsenal und enormen physischen Kräften hetzt und tötet er
Vampire, die als netzwerkartig strukturierte Subkultur längst die
menschliche Gesellschaft unterwandert haben und mit dieser zwecks
beiderseitiger Arterhaltung in einer Art dynamischem Waffenstillstand
leben. Mit den literarischen Figuren des gotischen Horrors, der die
Vampire als geisterhafte Widergänger stilisiert und an dem sich
beispielsweise die Vampirromane Anne Rice' und deren Verfilmungen noch
recht dicht orientieren, haben die Blutsauger in "Blade" nicht mehr viel
gemein: Sie sind vielmehr eine eigene Rasse, die in der biologischen
Nahrungskette über dem Menschen stehen, Vampirismus überträgt sich wie
eine Viruserkrankung, und die Reißzahnträger sind wie die ehrenwerte
Gesellschaft organisiert, wobei sie nicht wenige menschliche Helfer in
ihren Reihen wissen. Ihre Köpfe leiten die Geschicke beider Völker wie
ein UN-Sicherheitsrat - wir erinnern uns an den wunderbaren Udo Kier als
dessen Ratsvorsitzenden Dragonetti.
Blade, ausgestattet mit den Stärken beider Rassen, jagt wie Batman jene
Geschöpfe, die einst für den Tod seiner Mutter und seine eigene
(unvollständige) Vampirwerdung verantwortlich waren. Die Marvel-Figur
dürfte damit Pate gestanden haben für all jene mit übernatürlichen
Kräften ausgestatteten Protagonisten, die die einst so
ehrfurchtgebietende Gattung Vampir heute zu bloßem Kanonenfutter für
schnelle Fäuste und Holzpflöcke degradieren - die Linie führt bis zu
zeitgenössischen TV-Seriengestalten wie "Vampir-Slayer" Buffy und ihrem
dunklen Alter Ego Angel - übrigens auch ein Vampir mit menschlichen
Eigenschaften, der sich auf die Seite des Guten schlug.
Im ersten Kinofilm musste sich Blade, diese urbane, afro-amerikanische
Van-Helsing-Variante, gegen niemanden Geringeren als einen
ausgewachsenen Vampirgott durchsetzen, der - hätte er sich und seinen
Hofstaat etablieren können - sicherlich der Gattung Homo Sapiens den
Garaus gemacht hätte (was in sich fürchterlich unlogisch war, denn von
wessen Blut hätte er sich denn dann ernähren können?). Schon da schalten
Regisseur Guillermo del Toro und Drehbuchautor David Goyer, der auch das
Skript zum sehr gelungenen Teil eins verfasste, in der zweiten Auflage
einen Gang niedriger und greifen auf ein Uralt-Motiv zahlloser Western-,
Action- und Martial-Arts-Filme zurück: Die Kooperation zweier
verfeindeter Parteien unter dem Eindruck einer dritten, noch viel
größeren Bedrohung.
Diese geht von den Reapern aus, einem neuartigen Typus von
Supervampiren, die genauso Menschen zum Frühstück vertilgen wie ihre
vampirischen Artgenossen zur Kaffee- , Verzeihung, Blutpause, und die
sich seit ihrem ersten Auftreten dummerweise stärker vermehren als
viagra-gedopte Kaninchen. Blade und sein (natürlich auf völlig
unlogische Weise) wieder auferstandener Mentor und väterlicher Freund
Whistler lassen sich darauf ein, gemeinsam mit einer vampirischen
Task-Force-Einheit Jagd auf die Reaper zu machen, und nach einer ersten
mörderischen Schlacht sind wir auf einmal nicht mehr im Vampirfilm,
sondern - huch! - bei "Aliens" gelandet. Mit der Kreation der Reaper,
die anatomisch eine nicht zu übersehende Affinität zu den Giger'schen
Monsterkreationen - speziell aus Jean-Pierre Jeunets "Alien -
Resurrection" - zeigen, und dem "Blood-Pack" als illegitime Nachfahren
der Marines-Einheit aus Camerons "Aliens" treibt David Goyer das wüste
Genre-Crossover eine Stufe weiter - nur leider in die völlig falsche
Richtung. Norringtons Mix aus Horror und Matrix-gestylter
Hochglanz-Action fügte sich hervorragend zu einer stimmigen
Comic-Melange inklusive Blutgott-Mythen und Schwertkampfakrobatik -
kickboxende Alien-Monster sind dagegen schlicht und einfach lächerlich.
Auch sonst will sich Goyers Plot von Vorn bis Hinten nicht zu einem
roten Faden finden: Alle Motive, die in Teil eins passten und stimmten,
wirken hier aus dem Zusammenhang gerissen, fragmentarisch
aneinandergereiht und lieblos verhackstückt, die neuen Storyelementen
zudem teilweise idiotisch überzogen, konstruiert und widersinnig.
Das Elend beginnt mit Kampf in der Nobel-Disco der Vampire: Was in Teil
eins als ultraelegantes Schwert- und Kung-Fu-Ballett den furiosen
Auftakt bildete, wird hier zu einer enervierend ausgewalzten,
hypertrophen und ermüdenden Metzelorgie zwischen Reapern und Vampiren
vor gleicher Kulisse. Die folgende Storyline, Blades Jagd nach dem
Verursacher der Supervampir-Infektion, verquickt mit dem albernen
Versuch eines Shakespeare'schen Königsdramas um Kabale und Liebe in der
Sippe eines Vampirherrschers und verbrämt mit ein bisschen modischer
Gentechnik- und Seuchen-Paranoia, bildet nur notdürftig den Kit für die
stereotype Aneinanderreihung monotoner Vampirmetzeleien, die trotz des
Einsatzes noch phantasievollerer Waffen, noch aufwendigerer
Martial-Arts-Einlagen und diverser State-of-the-art Effekte nicht ein
Stück weit Adrenalin anzuheizen und aufzupeitschen vermögen. Was in Teil
eins elegant und artistisch war, wirkt hier aufgesetzt, overdosed und
überzeichnet, woran auch der wunderbare Donnie Yen, ebenso begnadeter
Kampf-Coreograph wie Kung-Fu-Darsteller, nichts zu retten vermag. Der
Zeitlupenflug der Pistolenkugeln, berühmt geworden durch "Matrix" - hier
wirkt er ebenso vorhersehbar wie deplaziert. Und geradezu armselig
kommen die von zweitklassigen CGI-Effelten aufgepeppten
Wrestling-Einlagen daher, welche das im Gegensatz zum Vorgänger viel zu
bierernst inszenierte Vampire-Verprügeln der unfreiwilligen
Lächerlichkeit preisgeben - ganz so, als habe niemand aus "Romeo must
die" gelernt.
Den Darstellern dieses äußerlich blutreichen, inhaltlich aber umso
blutärmeren Vampir-Alien-Konglomerats kann kaum ein Vorwurf gemacht
werden, so wenig Chancen haben sie, gegen Goyers unausgegorenes Drehbuch
anzuspielen. Wesley Snipes und Kris Kristofferson füllen ihren Part als
dynamisches Duo der handfesten Sorte, Marke Kernbeißer, den Umständen
entsprechend gut. Snipes gibt die monolithische Kampfmaschine Blade so
wortkarg, unnahbar, stoisch und gravitätisch, wie man es von ihm
erwarten darf. Kristofferson darf den Part des kampferprobten Sidekicks
bisweilen sogar etwas extrovertierter ausfüllen als noch vor vier
Jahren, schließlich muß sich der lange totgeglaubte Gefährte erst wieder
als unverzichtbarer Helfer des Helden etablieren.Hle
Charakterkopf Ron Perlmann, der einst in "Der Name der Rose" so
wunderbar den in zig Sprachen kauderwelschenden Mönch Salvatore gab,
entgeht hier seinem Schicksal nicht, als den Regeln des Genres
unterworfener Bad Guy mit der Lizenz zum hässlichen Deutschen verheizt
zu werden. Als Vorzeige-Frauchen hat die äußerlich adrette, aber
ansonsten völlig farblose Leonor Varella der toughen N'Bushe Wright aus
Teil eins nichts entgegenzusetzen. Standard-Bösewicht Thomas Kretschmann
ist als Obervampir im Nosferato-Look viel zu sehr den Fesseln der
Klischee-Konventionen verfangen, um halbwegs zu überzeugen. Am
schmerzlichsten vermisst der Zuschauer einen Gegenspieler vom Format des
unglaublich charismatischen Stephen Dorff, der im ersten "Blade" den
faszinierenden Neo-Grunge-Vampir Deacon Frost gab. An seine Stelle tritt
als Ober-Reaper Nomak ausgerechnet Luke Goss, der in 80ern als eine
Hälfte des Bubblegum-Boygroup-Duos Bros reüssierte - mit der Gnade der
frühen Geburt Ausgestattete werden sich an "When will I will I be
famous" erinnern.
So schleppt sich "Blade 2" von einem Vampir-Overkill zum Nächsten, und
spätestens nach der dritten Massenabschlachtung von Reapern wird
deutlich, dass uns Guillermo del Toro und David Goyer bei leicht
geänderter Ausgangsposition die gleiche abgedroschene Story wie in Teil
eins, nur zweimal wiedergekäut, dreimal aprilfrisch gewaschen und einmal
kräftig in abgründig-bizarre, schmutzig-düstere Settings der Marke del
Toro getaucht, vorsetzen: Der drohend Weltuntergang, der wieder nur von
dem gestählten Trizeps des Daywalkers aufgehalten werden kann, nachdem
dieser im Final Showdown zunächst rituell geopfert und anschließend auf
wundersame Weise wieder ins Halbuntoten-Leben zurückgeholt wurde, um mit
der vollen Wucht maskuliner Entrüstung gegen seine Peiniger
zurückzuschlagen. Vorhersehbar war das zwar auch in Teil eins, dort aber
noch wirklich rasant inszeniert und damit um ein Vielfaches sehenswerter
als im zweiten Aufguss. Hoffen wir, dass Whistler bis zum dritten Teil
neben seiner Arbeit als Hildebrandt'scher Waffenmeister und
Teilzeitpharmazeut für Halbvampire ein tonisches Serum für
"Blade"-Drehbuchautoren entwickelt - verdient hätte es der Daywalker auf
jeden Fall!
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