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München

Kritik von Jürgen Dick

Dieser Thriller reisst den Zuschauer in eine verstörende Handlungskette hinein, die durch den Bezug auf die Ereignisse beim Massaker während der Olympischen Spiele in München 1972 geprägt ist.

Der damalige Überfall des palästinensischen Kommandos 'Schwarzer September' auf ein israelisches Sportlerteam wird unter Verwendung von Original-Filmmaterial dargestellt, ergänzt durch die detailreiche Inszenierung der Gewaltexzesse während der Geiselnahme und der fehlgeschlagenen Geiselbefreiung auf dem Fürstenfeldbrucker Flughafen.

Was auf diesen Terrorangriff folgte, vermittelt der Film 'München' als das Scheitern des Versuchs der israelischen Regierung unter Golda Meir (Lynn Cohen), einen archaischen Vergeltungsfeldzug umzusetzen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Der israelische Geheimdienst entsendet ein Anti-Terror-Kommando unter Führung des jungen Offiziers Avner Kauffmann (Eric Bana), um die Drahtzieher zu bestrafen. Fünf Männer, Spezialisten auf Gebieten wie Dokumentenfälschung und Bombenkonstruktion, bilden den Kerntrupp, der sich durch Zahlungen hoher Summen an einen offensichtlich für alle Seiten tätigen Informationsbeschaffer mit den Adressen der Zielfiguren versorgt.

Bald folgt ein Bombenanschlag auf den nächsten, doch bei den Agenten stellen sich erste Zweifel an der Mission ein. Es kommt zu Kollateralschäden. Bei einer Aktion in Paris wird um ein Haar ein Mädchen ums Leben gebracht. Der Bombenkonstrukteur verschätzt sich bei der Auslegung der Sprengkraft, anstelle einer anvisierten Zielperson fliegen gleich mehrere Hotelzimmer in die Luft. Hinzu kommt, dass die Gegenseite ihrerseits mit Anschlägen zu antworten beginnt.

Wäre der Film reine Fiktion, wäre er also nicht um die Münchener Ereignisse herumkonstruiert, dann könnte man ihn durchaus vergleichen mit solchen Thrillern oder Western, in denen der Held irre wird an seiner gewalttätigen, ursprünglich für gerecht erachteten Mission. Der Handelnde, Gerechte, der sich auf die Spirale der Gewalt einlässt, wird zum Getriebenen. Die atemlose Abfolge von Gewalt und Gegengewalt wird zum Zweck Ihrerselbst. Die einstmals Gerechten enden als Gestrandete, als Verlorene, denen nichts übrig bleibt, als immer nur wieder aufs Neue über das 'Los'-Feld ziehen zu müssen.

Anrührend im Film die Szene, als Bombenexperte Robert (Mathieu Kassovitz) beim Abschied seinem Vorgesetzten Avner eingesteht, dass ihm der Glaube an die Aktionen verloren gehe. Dass aber doch der Glaube an die Gerechtigkeit ihn selbst, seine Seele, ausmache: 'Das bin ich!'

Der Verlust aller Bindung - darum dreht es sich für alle Figuren in diesem grossartigen Film: Allesamt taumeln sie an dem Abgrund herum, an dem sie ihrer Familie, ihrer Wurzeln, ihrer Bindungen verlustig zu gehen drohen. Wenn man danach suchen möchte, was diesen Film zu einem unverwechselbaren Spielberg macht, wird man hier fündig. Ist es nicht so, dass Avner im Grunde schon zu Beginn seine werdende Familie verleugnet, indem er seine schwangere Frau zurücklässt, ohne Preisgabe der Ziele seiner Mission?

Die Mitglieder eines palästinensischen Kommandos, die sich, in einer absurd-bizarren Sequenz, für eine Nacht ein Versteck mit den israelischen Geheimdienstlern teilen, treibt im Grunde dieselbe Furcht an wie Avner und seine Gefährten: Die Angst vor dem Verlust der eigenen Wurzeln, die Angst vor der Auflösung der eigenen Identität.

Am Ende, als Avner sich eingestehen wird, mit den Aktionen seines Kommandos nichts erreicht zu haben, bleibt ihm nur der Weg zurück zu seiner Frau und zu seinem Kind. Die Verhältnisse in der realen Welt, dort, wo die Gesetze von Vergeltung, Schlag und Gegenschlag herrschen, lassen nur noch Raum für dieses letzte, private, persönliche Bekenntnis.

Ob dies aber ausreicht, die Welt zum Besseren zu verändern? Die Szene, in der sich die Wege Avners und seines Führungsoffiziers endgültig trennen, ist gleichzeitig als Avners Bekenntnis zur Rückkehr in seine Familie zu verstehen. Diese Szene vollzieht sich vor der Silhouette der Türme des World Trade Center.

FAZIT: Wahrscheinlich ist 'München' ein Film des Jahrzehnts.

Diese Kritik ist die Meinung von Jürgen Dick.
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