Der Altphilologe Professor Coleman Silk (Anthony HOPKINS), leitet an einem College Seminare zu ‚Athena’, zum Achilles-Mythos. Eine missverständliche Äußerung über abwesende Studenten („dunkle Gestalten“) bringt ihm den Vorwurf des Rassismus ein. Silk legt daraufhin seine Professur nieder. Als er seiner Frau von diesen Vorwürfen erzählt, erleidet sie einen Herzinfarkt und stirbt. Silks Leben, zur Aussichtslosigkeit verurteilt, bekommt eine neue Wendung durch die Freundschaft zu dem Schriftsteller Nathan Zuckerman (Gary SINISE), und Faunia (Nicole KIDMAN), der er begegnet. Silk blüht neu auf und schöpft aus der Freundschaft mit Faunia, die von ihrem Ex-Mann Les (Ed HARRIS) terrorisiert wird, neuen Lebensmut. Damit endet die Spurensuche nicht. Die Tragik um Coleman Silk wird erst später deutlich, als der Film in seine Jugend zurückblendet. Der Professor, der in Wirklichkeit ein hellhäutiger Afroamerikaner ist, verleugnet seine Herkunft, legt sich eine neue Identität zu und heiratet. Seine Vergangenheit unterlegt der Film mit jener Liebesgeschichte, die ins Heute projiziert wird.
„Der menschliche Makel“ (nach dem gleichnamigen Roman von Philip ROTH), ist die Geschichte vom Entkommen und Ankommen, von der Vergangenheit, von Davongelaufenen und Suchenden. Das ist ein schmaler Pfad, weil so Klischees entstehen, die an den Rändern des Kulturbetriebes wabern. Aber es ist auch einfaches Glück im Kino: das Wiedererkennen seines eigenen Lebens, die die Bilder widerspiegeln. Bilder reden von Erlösung. Sie heben die Unterschiede und Grenzen auf. Manche Bilder sind Erinnerungen, Impulse der Erneuerung, Phantasie und ästhetische Setzung. Damit die Routine nicht tödlich wird, wird sie vom Auge des Träumers im Traum erdrückt. Walter BENJAMIN würde dazu vielleicht sagen, dass „hier die geschlossene Endlichkeit eines profanen Schicksalstraumes“ beginnt. In der Tat ist jede Geschichte, die sich um Vorurteile dreht, um Bestimmung, Besessenheit, soziale Grenzen, um Blasen des Glücks, um Schicksale, um Zynismus, Unschuld und Sentimentalitäten, die sich an der Außenwelt stoßen, ein ewiger Kampf zwischen Gewinnern und Verlierern.
Der Film, der beständig zwischen den vergangenen und aktuellen Ereignissen springt, operiert mit Bildern, die für den Hauptdarsteller nahezu geschaffen scheinen. Wenn am Anfang und am Ende des Films die verschneite Landschaft auftaucht, die schwarz-weiß Idylle, durch die Silk mit Faunia fährt, um am Ende zu Tode zu kommen, dann lässt Regisseur Robert BENTON („Kramer gegen Kramer“, 1978, „Im Zwielicht“, 1998) die besten Bilder zurück. Am Anfang war nicht das Wort, am Anfang war das Bild! Und da es von HOPKINS lebt, vergisst man schnell die Ratlosigkeit, die im Plot übrig bleibt. Die Strukturen des Streifens sind schematisch aneinandergereiht, vorhersehbar, Dekoration und Kostümierung. Dramatik und Dynamik der Rückblenden gehen in der zarten, bisweilen sogar sehr bitteren Romantik unter. Das ist ärgerlich.
Manche Filme leben nur von ihren Darstellern. Diesen Standpunkt kann man für ‚unfilmisch’ halten, weil sie keine Aussagen enthalten. Wenn dem so wäre, dann dürfte es keine Filme mehr geben. Ein guter Film ist der, der Bilder illustrieren kann, der sich am schönen Schein seiner Bilder klammert. Wenn das Konzept in Ratlosigkeit umschlägt, ist das hybride Filmgewächs zu einem Bilderrätsel entartet. Tausende bunte Bilder waren in „One Hour Photo“ das Rätsel. Die intimen Momente von HOPKINS, der in „Was vom Tage übrig blieb“ (Regie: James IVORY, 1993) und „Nixon“ (Regie: Oliver STONE, 1995) vielleicht seine besten Rollen spielte, erreichen erneut einen sehbaren Höhepunkt. Seine Sensibilität, seine Tränenrührigkeit, die intime Psychologie mit den wunderschönen Einstellungen ist kaum kitschig und abgegriffen, sondern ehrlich und sehr nachvollziehbar dargestellt. Er bricht einem fast das Herz.
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Diese Kritik ist die Meinung von Dietmar Kesten.