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Kino - dafür werden Filme gemacht

Der Schuh des Manitu

Gesehen am 18.07.2001 im Residenz Kinocenter Bückeburg (Sneak-Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Als "größte Stunde des bundesrepublikanischen Films in seiner meist nicht verstandenen und nicht vorhandenen Qualität als Showbusiness" bezeichnete Joe Hembus in seiner Enzyklopädie der Western-Filme den "Schatz im Silbersee". 1962 löste der von Horst Wendtland produzierte und von Harald Reinl inszenierte Streifen, jene "fruchtbare Vermählung des meistgeliebten Subgenres der deutschen Trivialliteratur mit dem international populärsten Filmgenre" (Joe Hembus), die bis heute mythisch verklärte Welle von Karl-May-Verfilmungen aus, die inzwischen zum Standardrepertoire des nachmittäglichen TV-Programms eines jeden kirchlichen Hochfestes zählen und bei Millionen Fans absoluten Kultstatus besitzen. Keine kleine Aufgabe also, diesem berühmt-berüchtigten Nationalheiligtum teutonischen Filmschaffens mit einer Parodie zu Leibe zu rücken. Dass der durch die Winnetou-Sketche in seiner "Bully-Parade" geübte Michael "Bully" Herbig diese Aufgabe so leichtfüßig und wenig peinlich absolvierte, gehört zu den angenehmsten Überraschungen dieses Kinosommers.

Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und zweifacher Hauptdarsteller - Tausendsassa Herbig wollte es diesmal genau wissen. Einen Kindheitstraum hat sich der Comedy-Star mit dem Western-Klamauk erfüllt, denn Michael Herbig kratzt nicht an dem Nimbus der Karl-May-Klassiker, sondern vollführt mit jedem Gag und jedem Klamauk zugleich eine tiefe Verbeugung vor den Originalen. Selbst ein Lex Barker könnte diesen Verballhornungen nicht böse sein, so liebenswürdig hat sich der Regisseur die ersten kontinentalen Western von damals zur Brust genommen.

Das gesamte, kunterbunte und skurrile Panoptikum jener Schwarzwald-Western der Wirtschaftswunderzeit, in denen neben Lex Barker, Pierre Brice, Stewart Granger, Terence Hill (der damals noch Mario Girotti hieß) und Götz George auch ein Chris Howland, ein Eddie Arendt und sogar ein Heinz Erhardt durch die Prärie ritten, hat "Bully" Herbig konserviert und zu einer ebenso klamaukigen wie charmanten und in jeder Konsequenz detailgetreuen Hommage zusammenmontiert.

Die (natürlich völlig belanglose) Story des Films ist mehr oder weniger eine Eins-zu-eins-Kopie des "Schatzes im Silbersee", der damals das Grundkonstrukt für praktisch alle folgenden Karl-May-Filme lieferte. Gute Weiße werden von bösen Weißen übers Ohr gehauen, und eigentlich gute Indianer halten die Guten für böse und graben das Kriegsbeil aus, in diesem Fall in Ermangelung einer solchen Waffe auch mal zur Abwechselung einen Klappstuhl. Irgendwo in einer tiefen Höhle liegt auch noch ein Schatz herum, um den es eine Menge Keilerei gibt. Alles zum Guten wenden können letztendlich nur die beiden legendären Blutsbrüder, die damals Winnetou und Old Shatterhand hießen. Heute heißen sie Abahachi und Ranger, brabbeln Schwabinger Dialekt und zanken sich meistens wie ein altes Ehepaar. Abahachis rosagewandeter Zwillingsbruder Winnetouch (Herbig in einer Doppelrolle) darf als tuntiger Chef der Schönheitsfarm Puder Rosa die Fingernägel harter Westernmänner maniküren und Cocktails mit kleinen Tomahawks darauf servieren. Auf Seiten der Bösen im Land, wo die Schoschonen schön wohnen, setzt vor allen anderen der wunderbare Sky Dumont Glanznoten gehobenen Blödsinns.

Die Überfall der Banditen auf eine Farm, die betörende Salonschönheit (die hier Uschi heißt), der mondäne Banditenchef, der seine Truppe wie ein Grundschullehrer befehligt ("Jetzt gehen wir alle noch einmal aufs Klo, und dann reiten wir los.") - kein Klischee, kein Pathos der Harald-Reinl-Filme wird ausgelassen, um es genüsslich in den Schokoladentrunk zu dippen. Die Zitate anderer Filmklassiker machen genauso viel Spaß, ob James Bond (da hat der Schoschonenhäuptling Listiger Lurch doch tatsächlich wie einst Ernst Stavro Blofeld seine Katze ein Kaninchen auf dem Arm!), Sergio Leone, Kevin Costner oder Indiana Jones.

Michael Herbig erzählt seinen Karl-May-Cocktail mit einem immensen Gespür für Bilder, Kameraeinstellungen, Musik und Atmosphäre. Schon in "Erkan und Stefan" verriet der Kreativkopf der Bullyparade ein Händchen für große Kinobilder, welches er damals allerdings weitgehend an die beiden grenzdebil blödquatschenden Hauptdarsteller verschwendete. Hier ist ihm eine Parodie gelungen, die diesen Namen verdient, die mit ebenso viel Liebe zu den Originalen wie zum anarchischen Klamauk unterhält und dabei ausnehmend wohltuend die unsäglichen Rektalregionen zeitgenössischen Filmhumors ausspart.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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