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Kino - dafür werden Filme gemacht

The Italian Job

Kritik von Dietmar Kesten

ÜBER DEN ZWANG VON WIEDERHOLUNGEN

Bei einem Einbruch erbeutet eine Diebesbande eine Ladung Gold aus einem vezeneanischen Palazzo. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd durch die Lagunenstadt verübt einer der Safeknacker (Edward NORTON) einen Anschlag auf einen seiner Mitstreiter (Donald SUTHERLAND) und macht sich mit der Beute nach Los Angeles davon. Die anderen Gangster ( Mark WAHLBERG, Seth GREEN, Jason STATHAM, Mos DEF) hecken einen Plan aus, um sich die Millionen zurückzuholen. Dabei soll ihnen die schöne Charlize THERON helfen. Nach einer wilden Jagd durch das verzweigte Kanalsystem Venedigs endet sie in L. A., wo am Ende Blech und Gummi siegen.

„The Italian Job“ ist ein gut gemachtes Remake eines britischen Gangsterfilms mit bekannten Actionszenen, coolen Sprüchen. Insgesamt: solide Unterhaltung und tatsächlicher Schaulust, die sich jedoch schnell verflüchtigt, wenn man den Film hinterfragt.

War einst „Rififi“ (Regie: Jules DASSIN, 1954) der Maßstab aller Dinge, weil er meisterhaft inszeniert und von den Schauspielern und der Regie generalstabsmäßig vorbereitet worden war, in der Komplexität ohne Beispiel, in der Ausschmückung und Phantasie tadellos minutiös ausgeführt, so hatte das nachfolgende Genre enorme Schwierigkeiten, ihn zu übertrumpfen. Zwar versuchten etwa Don SIEGEL mit „Baby Face Nelson“ (1957), William WITNEY MIT „The Bonnie Parker Story“ (1958) und Richard WILSON mit „Al Capone“ (1959) an den Erfolg von DASSIN anzuknüpfen, doch ihre Filme, obwohl gut in Szene gesetzt, erreichten nie den Stellenwert von „Rififi“. Man musste mehr als ein Jahrzehnt warten, bis Sam PECKINPAHS seine Gangster-Ballade „Getaway“ (1972) vorlegte, und das Publikum sich mit der Aussage konfrontiert sah, dass Verbrechen in einer Gesellschaft, in der Gewalt selbstverständlich geworden ist, lohnt. (1)

Die abgekupferte Moral dieses Streifens war später in der Wiederholung mit BALDWIN und BASINGER (Regie: Roger DONALDSON, 1993) zu sehen. Auch sie wollten mit dem geklauten Geld ein ‚ehrliches’ Leben beginnen, und scheitern doch.

Man ist geneigt zu sagen, dass „The Italian Job“ von diesen Vorgängerfilmen sehr viel hat. Vielleicht ist er sogar ein Versuchslaboratorium, in dem kommende Filmproduktionen der Kulturtechnologie entwickelt und getestet werden. „Die ‚Modernität’, die man ihm durchaus zugestehen kann, orientiert sich aber nur an schnittigen Autos, gutes Ambiente, knalliger Schnitttechnik, starken Typen, Effektorgien in der Lagunenstadt, Lebensstilen, Musikschnipseln. Inhaltlich bietet daher der Film über eine Safeknackerbande im dritten Jahrtausend keine spezifische Neuerung. “Schnappt Shorty“ (Regie: Barry SONNENFELD, 1995), „L. A. Confidential“ (Regie: Curtis HANSON, 1997), „Out of Sight“ (Regie: Steven SODERBERGH, 1998) oder “Ocean’s Eleven” (Regie: Steven SODERBERGH, 2001), die bei Vergleichen mit „The Italian Job“ immer wieder herhalten müssen, funktionieren wie dieser nach ein und demselben Schema. Sie unterwerfen sich der Erzählstruktur der Massenkultur, die wie keine andere Fernsehen und Kino erobert hat.

Immer neue Drehbücher, neue und haarsträubende Geschichten und immer wieder derselbe Sinn. Alle fallen darauf herein. So folgt auch „The Italian Job“ den rhetorischen Gesetzen des Massenfilms und ist dessen stupide Wiederholung. Er setzt auf die Wahrnehmungsfähigkeit der Filmbesucher, auf die Identifikation mit den ‚Outlaws’, die keine sind. Dass, was originell erscheint, löst nur noch Befremden aus, Unverständnis.

Wohlkalibrierte Bilder, exakt dem Massenmarkt angepasst, der sich nur an Einspielquoten orientiert, werden widerstandslos akzeptiert. Schon längst geht es nicht mehr um pure Unterhaltung, oder populäres Vergnügen, sondern um die Wahrung der Beliebigkeit, die auch wichtig für das persönliche Stimmungsmanagement erscheint.

Kino und Film sind vor dem 1. Weltkrieg zur Massenkultur geworden. Die Filmproduktion wurde schnell ökonomischer, konzentrierter und technisch rationalisierter. Der Film wurde zur Ware, Schauspieler zu Leibeigenen der Filmkonzerne. Die Streifen wurden serienmäßig hergestellt. Damit begann die Jagd nach dem einzigen und wahren Grund: dem maximalen Gewinn. Am Ende der 20er Jahre wurde das Kino der ‚leichten Unterhaltung’ durch den Übergang zum Tonfilm abgelöst und durch Texte, Stimme und Geräusche als Ausdrucksmittel, sowie der durchkomponierten Filmmusik als ausgestattete Show FÜR ALLE zugänglich gemacht. Die Traumfabrik Hollywood machte sich diese neuartige Kunst zu eigen und entwickelte den Unterhaltungsbetrieb quasi mittels eines revolutionären Antriebes. Die Filmgesellschaften entstanden. Der sichere Garant für eine faszinierende Mischung aus Emphase, Macht und Geld.

Irgendwann war das Filmgeschäft ins öffentlichen Bewusstsein gelangt und ermöglichte so viel an Sichtbarkeit, dass es zum Showgeschäft wurde. Die Symbiose zwischen Kino und den Medien hatte zur Folge, dass die kommerzielle Kultur heute im Kielwasser von Hollywood-Filmen und deren Publicity segelt, dass heißt im Kielwasser der wandelnden Metaphern, sprich Filmschauspielern.

Von dort aus ist es nicht mehr weit, die bombastischen Unterhaltungsfilme, die sich mehr und mehr als Lebensfilme herauskristallisieren, mit den modernen Hightech-Multiplex- Kinos zu vergleichen, die in Amerika noch einen ganz anderen Stellenwert haben als z. B. hier in Europa. Sie wurden nämlich gebaut, um das fortlaufende kulturelle Unternehmen mit Lebensfilmen zu versorgen. Die Stars erscheinen zu Premieren, sichern so Bekanntheitsgrad und große Kasse. Diese Prominenz, die ständig erneuert werden muss, und den Abnutzungserscheinungen aller gesellschaftlichen Modernitäten unterliegt, kann nur dadurch existieren, weil sie durch die Medien und damit auch durch das Kino zu ‚Stars’ mit einer enormen Gewinnmarge gemacht werden. Ihre bereitwillige Komplizenschaft mit der Unterhaltung verwandelt sie selbst in Unterhaltung und stetige Wiederholung, wie es z. B. in der Satire „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (Regie Harold RAMIS, 1992) sehr plastisch dargestellt wird.

Hier nähern wir uns dann letztendlich den modernen Gangsterballaden, und finden sie auch in dem Gestrüpp der Massenkultur, Massenproduktion und Massenideologie wieder. Insofern ist auch „The Italian Job“ ein perfektes Symbol für Gier, Habsucht, Protzigkeit, Ausgebufftheit, Cleverness. ‚Money creates taste’ (Geld erzeugt Geschmack) kann als Oberbegriff für diese und ähnliche Geschichten gelten. Er gehorcht einfach den konventionellen Gesetzen linearer Erzählung. Mit einem Anfang, einem sehr schwachen Mittelteil, einem vorhersehbaren Ende. Als Inhalt bietet er an: Erfolg, Fun, Kult, Leistungsgesellschaft, Flucht aus dem Einerlei.

Wie weit muss die Amerikanisierung im Film noch gehen? Unsere Köpfe sind bereits dermaßen deformiert, dass wir uns scheinbar auch jeden Schwachsinn ansehen (meine Wenigkeit eingeschlossen), und davon träumen, einmal die Millionen in den Händen halten zu dürfen. Als ob das alles wäre!!

Kritik an solchen Filmen, auch wenn sie spannend gemacht sind, und in gewisser Weise der Entspannung dienen, erscheinen dann in der Wertungsskala von Filmzeitschriften und Online-Filmbesprechungen auf der obersten Position. „The Italian Job“ ist technische Reproduzierbarkeit und verliert schnell die Aura der Einmaligkeit, wenn das Massenpublikum sich anderen Filmen zuwendet und eine kritische Haltung einnimmt. Die Vergnügung im Kino wird schnell zum Menetekel das im Panorama der Massenkultur keine menschenfreundlichere Welt zu schaffen vermag.

1917 sagte der Schriftsteller Upton SINCLAIR die großen Worte: „Der Kinofilm eint und vereinheitlicht die Welt. Das heißt: er amerikanisiert sie.“ „The Italian Job“, dem das Flair der Auserwählten und der Nimbus der Superlative anhängt, ist ein typisches Beispiel dafür, wie weit menschgewordene Unterhaltung bereits fortgeschritten ist. Wir bewegen uns unaufhörlich weiteren, äußerst verwickelten Lebensfilmen entgegen. Ob Hollywood sich einmal selbst spielt?

Anmerkungen: (1) Natürlich ist das nicht die Auffassung des Verfasser. Ganz im Gegenteil: Verbrechen lohnt nicht. Diese alte kriminalistische Weisheit sollte zum non plus ultra für alle Zeiten und für alle Gesellschaften werden.


Diese Kritik ist die Meinung von Dietmar Kesten.

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