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Kino - dafür werden Filme gemacht

Im Netz der Spinne

Gesehen am 04.07.2001 Im Residenz Kinocenter Bückeburg (Sneak Preview)

Kritik von Johannes Pietsch

Lee Tamahori gehört wie Robert "El Mariachi" Rodriguez, Peter Jackson oder Ole Bornedal zu der überschaubaren Schar nicht-amerikanischer Regisseure, die über den Erfolg nationaler Independent-Produktionen den Weg auf die Regiestühle der großen Hollywood-Konzerne fanden. Nach seinem vielbeachteten Erstling "Die letzte Kriegerin" legte er mit "Mulholland Falls" sein Hollywood-Debut in Form eines lupenreinen Detektivfilms vor. Sein neuer Film "Im Netz der Spinne", Verfilmung eines gleichnamigen Kriminalromans von James Patterson, lässt ihn bekannte, aber nicht ausgetretene Thriller-Pfade beschreiten. Dabei gelang dem Neuseeländer mit seiner nunmehr dritten Hollywood-Arbeit ein zwar konventioneller, strikt an den Regeln des Metiers orientierter, aber sehr stringenter und bestens unterhaltender Genrebeitrag.

Hauptdarsteller Morgan Freeman schlüpft zum zweiten Mal in die Rolle des scharfsinnigen Polizeiermittlers Alex Cross, der sich bereits in Gary Fledders "Denn zum Küssen sind sie da" ein Katz- und Mausspiel mit einem psychopathischen Serientäter lieferte. Bis auf die Hauptfigur haben beide Filme wenig gemein, gemäß der literarischen Vorlage ist der neue Film chronologisch vor dem 1997 gedrehten Fledder-Film angesiedelt.

Morgan Freeman zur Seite steht mit Monica Potter als Secret-Service-Agentin Jezzie Flannigan eine adrette Jungdarstellerin, die das altbekannte Motiv des Buddy-Gespanns in Form eines weiblichen Sidekicks ausfüllt. Wieder ist es also wie schon in Philip Noyces "Der Knochenjäger" die tausend Mal erzählte Geschichte vom Mann und dem Mädchen auf Verbrecherjagd. Die Rollenverteilung ist bekannt: Er hat zu analysieren und zu kombinieren, sie zu rennen und zu schießen. Beide Charaktere sind jedoch keine Helden, sondern von Schatten der Vergangenheit Gejagte: Polizeiermittler Cross muss den Tod einer jungen Kollegin während eines von ihm geleiteten Einsatzes zu verarbeiten, hat sich Monate lang in die Isolation seines Zuhauses zurückgezogen und wird aus seinem Dornröschenschlaf erst durch den diabolischen Entführer Jerry Soneji (Michael Wincott) geweckt, der aus purer Geltungssucht den gealterten Profiler zum direkten psychologischen Duell herausfordert. Secret-Service-Agentin Jezzie hat das spektakuläre Kidnapping der Politikertochter Megan nicht verhindern können und muss gegenüber ihren Vorgesetzten um ihr Renommee kämpfen.

Mehr noch als das Buch inszeniert Lee Tamahori das Verhältnis der beiden ungleichen Partner durch den Altersunterschied als Schüler-Lehrer-Konstellation. Morgan Freeman ist nicht nur Sherlock Holmes, der Monica "Watson" Potter die kombinatorischen Schlüsse seines analytischen Denkvermögens vordoziert, durch die Zusammenarbeit wächst er auch in die Rolle eines väterlichen Mentors und Vorbildes, der wie ein William von Baskerville seinen Novizen Adson von Melk in den Künsten der Kriminalistik unterweist. Folgerichtig verzichtet der Film auch auf die Affäre, die die beiden im Buch miteinander beginnen.

Dies sind jedoch die einzigen Gemeinsamkeiten mit Umberto Eco. Von Anfang an trimmt Lee Tamahori seinen Plot auf Tempo. Geradlinig werden die Handlungsfäden um einen zunächst sehr durchschaubar anmutenden Fall von Kindesentführung zusammengeführt, die der Neuseeländer mit flott inszenierten Action-Einlagen und zahlreichen ansprechenden Suspense-Schnörkeln versieht. Wie so oft glaubt der Zuschauer, über die Entwicklungen auf beiden Seiten informiert zu sein und alle Spannung aus der Beobachtung zu beziehen, wie sich Entführer und Fahnder aufeinander zubewegen.

Dass dem nicht so ist, verdankt der Film der clever konstruierten Romanvorlage James Pattersons, die mehrfach falsche Fährten auslegt und Zuschauer wie Filmfiguren geschickt an der Nase herumführt. Die Enthüllung der wahren Hintergründe und Täter ist zwar alles andere als spektakulär und enthält so manchen (in diesem Genre wohl unvermeidlichen) logischen Gap, fällt aber für einen konventionell angelegten Thriller durchaus unerwartet und interessant aus. Der Verwendung einiger sehr oft bemühten Thriller-Versatzstücken konnte Tamahori offensichtlich nicht widerstehen, so zum Beispiel der aus "Die Hard III" nur allzu bekannten atemlosen Hetzjagd des Ermittlers von einem Telefon zum nächsten, über die ihn der Entführer im Gewimmel einer Großstadtmetropole zur Übergabe des Lösegelds dirigiert.

"Im Netz der Spinne" ist grundsolides, angenehm unprätentiöses und durchgehend spannendes Thriller-Handwerk und stellt sich gegenüber seinem 97er Vorgänger als wohltuend autarkes und eigenständiges Sequel dar. Hauptfigur Axel Cross dürfte daher gute Chancen besitzen, sich als Serienfigur des Thrillerkinos zu etablieren.

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Diese Kritik ist die Meinung von Johannes Pietsch.

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