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Dreizehn

Kritik von O. Materne

Der Film beginnt wie ein Schlag ins Gesicht, nämlich mit Schlägen in die Gesichter zweier bekiffter Teenagerinnen, Evie und Tracy. Übergangslos folgt die Rückblende auf die Zeit ihres Kennenlernens: Tracy wächst vaterlos auf bei einer gutherzigen, aber leicht überdrehten Mutter und mit einem braven Bruder, Mason. Als Dreizehnjährige durchlebt sie dank der plötzlich aufkeimenden Freundschaft mit der beliebten Evie eine Veränderung von einer netten, Gedichte schreibenden Musterschülerin bis zur durchgeknallten Partymieze. Tracy verstößt ihre früheren Freundinnen, vernachlässigt die Schule, verschreckt ihre Mutter und ihre Umwelt. Als ihre Freundschaft zu Evie zerbricht, setzt diese zu einem moralischen Vernichtungsfeldzug gegen Tracy an.

Der insgesamt gelungene Film arbeitet mit Symbolen, zum Beispiel mit einem Gesicht auf einem Werbeplakat, das ab und zu im Hintergrund zu sehen ist und die Züge von der wilden Evie trägt. Mit jeder neuen Einblendung erfährt das Plakat Verunstaltungen, die verschlüsselt die Veränderungen im Leben von Evie und damit auch Tracy zeigen. Das Ungewöhnliche am Drehbuch: Es wurde verfasst von Nikki Reed, der minderjährigen Darstellerin der bösen Evie, zusammen mit der Regisseurin, Catherine Hardwicke, aufgrund eigener Erlebnisse. Dass sie jedoch die Täterin statt des Opfers spielen wird, war ihr beim Schreiben noch nicht bewusst.

Beim zweiten Sehen entfaltet der Film eine Wirkung, die sicher nicht beabsichtigt war. Litt man im ersten Durchgang noch mit der besorgten Mutter Tracys, fragt man sich jetzt mit der unschuldigen Tochter: Warum eigentlich? Ja, Tracy steckt in der Pubertät, sie hat sich piercen lassen, ihr Outfit geändert, ihre Hausaufgaben häufig nicht gemacht, einen Jungen geküsst, das eine oder andere Bier zuviel zu sich genommen und sogar etwas gestohlen, das ist nicht schön, aber sicher auch nicht ungewöhnlich im Zeitalter der hormonellen Veränderungen und der Sinnsuche. Eindeutig ein dramaturgischer Schwachpunkt, immerhin hat Tracy nicht wirklich was Schlimmes ausgefressen, was die übergroße Sorge der Mutter rechtfertigen würde.

Die zwei emsigen Darstellerinnen von Tracy und Evie machen dieses Manko zum Großteil wett. Beim Finale kommen nicht nur der gequälten Tracy (Even Rachel Wood), sondern auch der fiesen Evie (Nikki Reed) die Tränen, die nicht nur echt wirken, sondern es laut Nikki Reeds Aussage auch sind. Auch die besorgte Mel (Holly Hunter) erfährt als Tracys Mutter eine glaubwürdige Darstellung, aber ihre drehbuchbedingte Ausgeflipptheit steht in einem seltsamen Kontrast zu der immer größer werdenden Sorge um ihre Tochter, was wieder den erwähnten Schwachpunkt aufführt. (Dennoch zeigt Hunter, warum sie mal einen Oscar bekommen hat.) Etwas funktionslos wirkt die Darstellung von Tracys Bruder Mason (Brady Corbert), der sich alle Freiheiten leisten darf, die Tracy verwehrt sind. Zwar wird er halbwegs überzeugend gespielt, aber er passt nicht gut in die Handlung, er wirkt wie ein weiterer Widerspruch und zeigt ungewollt nur, dass eine ausgeflippte Familie eher Verständnis für Tracys Veränderungen haben sollte. Fast völlig unter geht der Kampf zwischen Tracy und Jasmin, Evies ehemals bester Freundin, um die Gunst von Evie.

Auch geht die Entwicklung Tracys vom Mauerblümchen zum Vamp etwas zu schnell. Ihre verstoßenen Freundinnen hätten einen größeren Part haben müssen, um die Details der Wandlung deutlicher zu zeigen. Interessant ist, dass die Herren der Schoepfung hier nur Füllmaterial zu sein scheinen. Die sehr kurze Rolle getrennt lebenden Vaters von Tracy zeigt immerhin, dass er sich bemüht - was erwartet man denn eigentlich von ihm? Er muss nun mal arbeiten und fragt jedes Familienmitglied, wo das Problem sei, aber so einfach lässt es sich eben nicht auf den Punkt bringen, so zeigt der Film Verständnis mit seinen Charakteren. Sogar der nette, nicht selten ebenfalls bekiffte Stiefvater Tracys weckt Sympathie, weil er zumindest versucht, aus den chaotischen Zuständen ein Zuhause zu schaffen. Und auch Evy hat ihre Vorgeschichte: Trotz ihrer Beliebtheit ziemlich einsam, sehnt sie sich eigentlich nur nach einem richtigen Zuhause und tischt Tracys Mutter einige Räuberpistolen auf, um Mitleid zu ernten, aber die eine oder andere vermeintliche Lüge stellt sich später als wahr heraus. Nicht so wichtig für die Handlung ist Evies dekadente Cousine Brooke, gleichzeitig ihre relativ gleichgültige Erziehungsberechtigte, die erst am Ende aus ihrer Lethargie ausbricht.

Lobenswert sind neben der spannenden, wenn auch nicht schwachpunktfreien Geschichte - mit einer deutlichen, allerdings nicht sehr verschlüsselten Aussage - die originelle Musik und die zwar billige, aber effektiv geführte Kamera. Ein eigenartiges Stilmittel ist es, dass die Farben, immerhin passend zur Handlung, immer schwermuetiger und blasser werden. Der fast hysterische Ablauf der Handlung, der in einem faszinierenden, nicht immer passenden Mix zu seiner Einfühlsamkeit steht, und ein wirklich anrührender Schluss machen den Streifen trotz einiger kleiner Schwächen zu etwas ganz Besonderem. Hardwicke erhielt nicht zu Unrecht auf dem Sundance Film Festival einen Preis für die beste Regie.

www.olaf-materne.de.vu

Diese Kritik ist die Meinung von O. Materne.

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