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Kino - dafür werden Filme gemacht

Deutschland, ein Sommermärchen

Kritik von Bernd Cierpiol

Der Film beginnt mit der Niederlage. Dem Tag, als die Klinsmänner gegen die abgezockten Squadra Azurra rausflogen, und das ausgerechnet in Dortmund, im Heimspielstadion schlechthin. Dann folgt die konsequente Chronologie der WM aus Sicht von Sönke Wortmann, angefangen beim Trainingslager bis zur Ehrung auf der Fanmeile in Berlin.

Sönke Wortmann hat einen Film gemacht, den es bis dato noch nicht gab. Er war Mitglied des Raumschiffs „Deutsche Fußball-Nationalmannschaft“, und zeigt Einblicke in eine Welt, die kaum ein Fan zuvor gesehen hat. Das ist zweifellos einen Eintrag in die Filmgeschichtsbücher wert. Aber ist dieser Film auch wirklich gelungen? Zunächst einmal ist der Film eine Dokumentation, und als solche fast schon akribisch gemacht und trotz der einfachen Mittel von guter technischer Qualität.

Der Zuschauer sieht Training, Freizeit, Klinsmanns Motivations-Kabinettstückchen, und das vor, während und nach dem Spiel, und dazwischen auch, in aller Ausführlichkeit und Wiederholung, gegen Costa Rica, gegen Polen, gegen Ecuador, gegen Schweden, gegen Argentinien, gegen Italien. Dazu gibt es Interviews mit einzelnen Spielern und eine Poldi-Cam, wo Lukas Podolski die Kamera führt (der Mann hat Talent). Man sieht sehr intensive Einblicke im Leben der Nationalmannschaft, lustige, traurige, wütende, ausgelassene in eben erwähnten Wiederholungen zwischen den Spielen.

Je länger der Film dauert, desto mehr wird klar: Die Jungs leben tatsächlich in einer Art Raumschiff, daß die Form und Eigenschaften einer Käseglocke hat. Von außen dringt recht wenig herein. Durch die Scheiben des Team-Busses vielleicht, sieht man die begeisterten Fans am Straßenrand, vor dem Hotel, auf der Fanmeile, kurz und nur in Splittern. Das Sommermärchen Deutschland fand in den Strassen statt und in den Stadien, aber nicht im Alltag der Nationalelf. Genau diesen Eindruck vermittelt der Film. Wenn die Mannschaft ins Stadion geht, wird es weiß ausgeblendet, als stünden die Jungs nun vor Gott und nicht vor 50 000 begeisterten Fans. Die Nationalhymne ist nur einmal für ein paar Takte zu hören.

Die Spiele selbst, werden auf wenige kurze Höhepunkte reduziert, die mit einer Lounge-Musik unterlegt ist, die eher zu einem Unterwasserfilm paßt als zum Fußball. Gerade in den Augenblicken höchster Emotion, im Stadion, setzt Wortmann diesen Kontrapunkt mit Hilfe der Musik ein. Künstlerisch gekonnt nimmt er damit dem Zuschauer die Möglichkeit des Mitfühlens und setzt ihn so auf den Platz eines Aliens, der das Geschehen rein äußerlich beobachtet, der sicher nicht das Herz in der Hand und die Leidenschaft im Bein hat.

Was bleibt ist wenig Gefühl, wenig Begeisterung, die in dieser Dokumentation zu sehen ist. Dies ist nicht Ausdruck dessen, was in und vor den Stadien los war, wenn hunderttausende von Kehlen „Tor“ schrien und jubelten oder in Tränen ausbrachen und Deutschland zu etwas werden ließen, was es sonst nicht ist: Zu einem Land, wo noch Wunder geschehen. Der Film „Deutschland ein Sommermärchen“ ist das was Deutschland in diesem Sommer genau nicht war: Weitgehend emotionslos.

So bleibt der Film was er ist: Er zeigt das Leben in einem Raumschiff, aber nicht das Leben auf der Erde.

Fazit:

Bisweilen interessante Einblicke im Leben des WM-Kaders, aber eine zunehmend langweilende, weil weitgehend emotionslose Dokumentation über ein sehr emotionales Thema. Enttäuschend.

b

Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Trainer, Spieler, Betreuer, Fans
Länge: 107Min.
FSK: ab 0

Diese Kritik ist die Meinung von Bernd Cierpiol.

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